ray Filmmagazin » Filmkritiken » Die Entführung des Michel Houellebecq / L’enlèvement de Michel Houellebecq

Filmkritik

Die Entführung des Michel Houellebecq / L’enlèvement de Michel Houellebecq

| Alexandra Seitz |
Ein Jux auf hohem Niveau

Der berühmte französische Schriftsteller sieht aus wie ein Sandler. Wenn er raucht, und er raucht fast immer, zwängt er die Zigarette verquer zwischen die dünnen Lippen, so dass der ohnehin seltsam verzogene Mund zahnlos wirkt. Ein Mümmelgreis ohne Gebiss, der sich an der Kippe festhält und mit der ganzen Hand vor dem Gesicht raucht. Gang und Haltung des dünnen Männchens zeugen von neurotischen Verklemmungen und null Körpergefühl, es würde nicht wundern, wenn er immer an der Wand entlang liefe und unter Agoraphobie litte. Die schwarz glänzenden Knopfaugen flackern unruhig, der Blick ist verschlagen und voller Heimtücke. Dem Typen, er mag ein Hemd sein und ein Würstchen, ist nicht über den Weg zu trauen, er ist mit Sicherheit gemein. Und das also ist Michel Houellebecq! Kein Wunder, dass der solche Literatur schreibt und ihn keiner mag. Könnte man denken, sollte das allerdings tunlichst unterlassen, denn wer weiß, ob der Mann, der in L’Enlèvement de Michel Houellebecq den Namen Michel Houellebecq trägt, auch tatsächlich Michel Houellebecq ist. Gespielt immerhin wird er von demselben. Also von Michel Houellebecq, dem berühmten französischen Schriftsteller, der in diesem Film aussieht wie ein Sandler.

Werbung

Guillaume Nicloux’ selbstreflexive, quasidokumentarische, halbimprovisierte und möglicherweise gänzlich fabulierte Anarcho-Komödie macht einen Vorschlag zur Erklärung des Geschehens im September 2011, als der tatsächliche Houellebecq während einer Lesereise einige Tage lang wie vom Erdboden verschluckt war. Weil der Schriftsteller nicht zu Unrecht als Enfant terrible gilt, das sich mit Gusto in die Nesseln setzt, wurde seinerzeit sogar gemunkelt, Al-Qaida habe den Querulanten verschleppt. Was immer auch passiert sein mag, die Erklärung, die Guillaume Nicloux anbietet, ist in jedem Fall vergnüglich. Und vielleicht ist sie ja sogar insofern die Wahrheit, als im Zuge des Houellebecqschen Verschwindens dieser Film entstand.

Der nun handelt davon, wie der vom Intellektuellen-Dasein gestresste Gnom von drei bodenständigen Finsterlingen, jeder ungefähr doppelt so groß wie er, in eine Schrottplatz-ähnliche Ansiedlung in der Pampa entführt wird, dort sofort Familien-anschluss findet und das Stockholm-Syndrom entwickelt. Im weiteren Verlauf fließt jede Menge Rotwein, werden hitzige Wortgefechte ausgetragen und Mutmaßungen angestellt. Doch angesichts des Ergebnisses erscheint die Frage nach Sinn und Zweck der Chose müßig.