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Die Frau, die rannte / Domangchin yeoja

Filmkritik

Die Frau, die rannte

| Alexandra Seitz |
Gefühl und Rede, federleicht, dabei doch tiefschürfend

Die Leute zu treffen sei echt anstrengend, heißt es in einer Szene zu Beginn von Domangchin yeoja, man sei dann nämlich gezwungen, überflüssig viel zu reden. Hong Sang-soo weiß, wie er Zweiflern an seiner inszenatorischen Methode den Wind aus den Segeln nimmt: Selbstironie ist eine entwaffnende Waffe. Schließlich ist er berühmt-berüchtigt für ein Œuvre, in dem unendlich viel geredet wird. Meist von künstlerisch tätigen, selbstmitleidig-eitlen Männern, die zu viel trinken und aus der Rolle fallen. Getrunken wird diesmal vergleichsweise wenig und das Reden übernehmen die Frauen. Männer machen sich bemerkbar, indem sie an der Tür klingeln und mit seltsamen Ansuchen den Ablauf stören. Doch natürlich sind sie in den Gesprächen präsent.

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Gamhee, die während ihrer Ehe noch keinen Tag von ihrem Mann getrennt war, nutzt dessen Geschäftsreise, um alte Freundinnen in Vororten von Seoul zu besuchen. Zufällig begegnet sie dann noch einer weiteren, die eigentlich keine Freundin mehr ist, weil sie ihr einst einen Mann ausspannte. Der, ein mittlerweile berühmter Dichter, taucht schließlich auch noch auf. Ihm wird beschieden, er solle aufhören, so viel zu reden.

Domangchin yeoja ist von einem freundlichen, trockenen Witz durchdrungen, der jedoch über die melancholische Mattigkeit, die sich durch die Gespräche – eigentlich: die Sprach-Handlungen – zieht, nicht hinwegtäuschen will, sondern möglicherweise durch sie erst hervorgebracht wurde. Von der Langeweile des Alltags ist die Rede, vom Überdrüssigsein des Partners, von Scheidungen und Affären, Schmerz und Schuldgefühlen. Autobiografisches blitzt auf und verglüht. In den Dialogen adjustieren die Sprecherinnen ihre Einstellungen zueinander, was mitunter etwas holprig vor sich geht, treten Hong Sangsoos Figuren doch nur allzu gerne in die allerorten aufgestellten Fettnäpfchen. In den solcherart entstehenden unbehaglichen Situationen folgt aber anstatt des üblichen peinlichen Schweigens ein behutsames Umkreisen des Benimm-Fehlers. Darin der Kern der Sache sichtbar wird: ein meist recht kompliziertes Gefühl.

Kim Min-hee in der Rolle Gamhees gibt dem Film Erdung und Seele: Mit dem fragilen Stolz, den ihre schmale Shilouette zum Ausdruck bringt. Mit ihrem Gesicht, in dem Mitgefühl wie Verwundbarkeit gleichermaßen zu Hause sind. Mit einem Blick, der auf den Grund der Dinge geht. Und der die Fehler der anderen verzeiht, weil er die eigene Unzulänglichkeit kennt.