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Mag. Gernot Schödl © Martin Jordan
Mag. Gernot Schödl © Martin Jordan

Urheberrecht

Die Stärke des Individuums liegt im Kollektiv

| Jakob Dibold |
Mitgründer und geschäftsführender Vorstand Gernot Schödl über die neue Initiative Urheberrecht Österreich, die in den kommenden Jahren die Interessen von Kunstschaffenden aller Sparten im Bereich des Urheberrechts vertreten wird.

Österreich, das im Selbstverständnis große Kunst- und Kulturland, hat im Bereich des Urheberrechts Aufholbedarf. Mit dem Verein Initiative Urheberrecht Österreich hat sich als Weiterentwicklung einer bereits im Jahr 2020 gegründeten Arbeitsgemeinschaft ein Zusammenschluss aller Kunstsparten formiert, der sich als übergreifende „Plattform und gemeinsames Sprachrohr aller Kunstschaffenden in Österreich sowie als Institution zur Bündelung von Kräften, Interessen und Know-How […] im Bereich des Urheber-, Leistungsschutz- und Verwertungsgesellschaftenrechts“ der Aufgabe verschrieben hat, nachhaltig die Interessen und Anliegen der österreichischen Kunstschaffenden hinsichtlich ihrer Urheberschaft zu vertreten. Die Initiative Urheberrecht Österreich wird zukünftig jährlich eine Konferenz zu aktuellen Themen veranstalten, die Kunstschaffende, Wissenschaftler:innen und Expert:innen sowie Politiker:innen adressiert, und Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben im Bereich des Urheberrechts abgeben sowie aktiv das Gespräch mit der Politik suchen – und vieles mehr. In die grundlegende Struktur und die Notwendigkeit der Initiative sowie die ersten aktuell anstehenden Herausforderungen gibt der geschäftsführende Vorstand der Initiative, Gernot Schödl, im Interview erste Einblicke, auch anhand der Themen der am 22. und 23. November 2023 in Wien stattfindenden ersten Konferenz.

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Die neue Initiative Urheberrecht Österreich tritt also nun an die Öffentlichkeit, mit dem Website-Launch Anfang November und der ersten Konferenz Ende November. Welche Ziele verfolgt die Initiative und wie ist sie grundlegend strukturiert?
Gernot Schödl: Die Idee hinter der Initiative Urheberrecht Österreich ist ein branchenübergreifender Zusammenschluss von Organisationen der Kunstschaffenden aller Sparten. Es geht darum, die gemeinsamen Interessen von Künstlerinnen und Künstlern aus den Bereichen Musik, Literatur, Film und Theater sowie bildende Kunst und das Know-how von Expert:innen in Österreich zu bündeln, und dies ganz konkret in Bezug auf urheberrechtliche Anliegen. Urheberrecht ist eine hoch komplexe Materie und Kunstschaffende sollen schließlich Kunst machen können und sich nicht mit den Tiefen und Untiefen des Urheberrechts beschäftigen müssen. Sie sollen eine Organisation an ihrer Seite haben, bei der sie sich darauf verlassen können, dass diese ihre Interessen bestmöglich vertritt. Eine zahlenmäßig große Masse zu erreichen ist dabei ein zentraler Punkt, denn erst wenn sich wirklich alle Sparten zusammenschließen, kann sich ein starkes Bündnis formieren, das politisch tatsächlich etwas bewegen kann. Der Verein Initiative Urheberrecht Österreich ist strukturell so organisiert, dass nicht Einzelpersonen Mitglieder werden können, die Zielgruppe sind vielmehr repräsentative Interessensverbände. Anders wäre das nicht administrierbar und für eine Bündelung von Interessen auch nicht sinnvoll. Den Verein gibt es seit Ende 2022 und dieser umfasst bereits 22 Mitgliedsorganisationen, wir wollen und werden aber natürlich noch weiterwachsen. Die ihre jeweiligen Berufsgruppen repräsentierenden Verbände aus den vier Kunstsparten Musik, Film und Theater, Literatur und bildende Kunst wählen je eine Person und diese bilden gemeinsam mit einem geschäftsführenden Vorstand, der urheberrechtliche Kompetenz mitbringen muss und die administrative Leitung und Koordination übernimmt, den Vereins-Vorstand. Gemäß unseren Statuten werden wir jedes Jahr eine Konferenz veranstalten, die für Kunstschaffende aktuell relevante Themen im Bereich des Urheberrechts behandelt. Die erste dieser Fachtagungen findet heuer am 22. und 23. November in Wien statt, bereits Anfang November geht mit www.initiativeurheberrecht.at die neue Website der Initiative online, auf der fortan Informationen aufbereitet, die Aktivitäten der Initiative vorgestellt sowie Forderungen an die Politik veröffentlicht werden.

Für die erste Konferenz wurden drei Schwerpunktthemen ausgewählt. Wodurch zeichnen sich diese aus und wie geht die Initiative an sie heran?
Gernot Schödl: Zum einen widmen wir uns dem Thema künstliche Intelligenz, insbesondere generativer KI und deren Auswirkung auf den Berufsalltag der Kunstschaffenden sowie ihre rechtliche Einordnung. Zentral sind dabei die Fragen, wie die Nutzung von Werken und Leistungen, die von einer KI gescannt und verwertet werden, kontrolliert bzw. eine angemessene und verhältnismäßige Vergütung der Kunstschaffenden sichergestellt werden kann. Das ist bekanntermaßen aktuell weltweit eines der Themen schlechthin und wir werden es aus praktischer, wissenschaftlicher und rechtlicher Sicht behandeln.

Das zweite Thema sind die sogenannten „gemeinsamen Vergütungsregeln“, kurz GVR. Dabei handelt es sich um ein System des kollektiven Urheberrechts, das ähnlich dem Arbeitsrecht, in dem es um Kollektivverträge und Mindestbedingungen bezüglich Arbeitszeit und -lohn geht, so funktioniert, dass repräsentative Verbände der Urheber:innen und ausübenden Künstler:innen mit Verbänden der Verwerter:innen, also etwa Produzentenverbände und Rundfunkanstalten, nutzungsbezogene Vergütungen für urheberrechtliche Verwertungen vereinbaren können. Sodass es also nicht bei einmaligen Pauschalzahlungen bleibt, sondern den Kunstschaffenden eine erfolgsabhängige Mehrvergütung zukommen kann, etwa im Fall eines Werks, das im Zuge seiner Ausstrahlung im Fernsehen eine entsprechende Reichweite generiert. Gerade im Filmbereich ist es ja so, dass Pauschalen gezahlt werden, bei denen es sich um Buy-outs handelt: Man erhält einmalig eine Zahlung mit der sowohl die Arbeitsleistung am Filmset als auch alle Nutzungsrechte pauschal abgegolten werden. Von diesem veralteten System wollen wir wegkommen, das ist eines der erklärten Ziele unserer Initiative. In Deutschland gibt es bereits seit zwanzig Jahren ein kollektives System, wir wollen ein solches, für das derzeit noch die gesetzlichen Rahmenbedingungen fehlen, die eine effektive Implementierung ermöglichen, auch in Österreich etablieren.

Der dritte Punkt sind Online-Vergütungen, Vergütungen für die massenhaften Nutzungen auf Social-Media Plattformen wie Facebook und Instagram sowie auf Streaming-Diensten – Spotify, Apple, Amazon oder Netflix. Hier gibt es in ganz Europa und überhaupt weltweit einen großen Handlungsbedarf, denn die urheberrechtliche Vergütung funktioniert in diesem Bereich schlichtweg überhaupt nicht, obwohl sich hier bekanntlich die meisten Nutzungen abspielen. Wir brauchen dringend Direktvergütungsansprüche der Kunstschaffenden, die kollektiv von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen werden, weil aus den Verträgen keine Zahlungen bei den Kreativen ankommen. Das gilt für den Musik- und Filmbereich gleichermaßen. Es gibt in anderen europäischen Ländern durchaus Ansätze, die wir als Best-Practice-Beispiele sehen und mit denen wir aufzeigen werden, wie diese unbefriedigende Situation verbessert werden kann. Und am Ende unserer Konferenz werden wir alle drei genannten Schwerpunktthemen ausführlich diskutieren, in Form einer Podiumsdiskussion mit Vertreter:innen der Politik, Rechtsexpert:nnen  und Kunstschaffenden. Nächstes Jahr wird es bekanntlich Wahlen geben und wir werden der Politik einige Vorschläge machen, wie man die anstehenden Herausforderungen bewältigen und Lösungen im nächsten Regierungsprogramm inkludieren könnte.

Zum Aspekt der Mehrvergütung berichtet unter anderem die deutsche Initiative Urheberrecht auf ihrer Website über den aktuellen Fall von Drehbuchautorin Anika Decker, die für ihre Arbeit an zwei sehr erfolgreichen Filmen Nachvergütung einklagt. Für solche großen Fragen, die den Wert der eigenen künstlerischen Leistung betreffen, will auch Ihre Initiative eine Anlaufstelle sein – erfüllen Sie damit den Zweck einer „Kammer für Kunst“? In einem früheren Interview benennen Sie das Fehlen einer solchen in Österreich als großes Manko.
Gernot Schödl: Ja, um diesen Gedanken geht es. Die deutsche Initiative, die Sie erwähnen, war im Grunde die Initialzündung für uns, ich beobachte bereits seit vielen Jahren, was diese alles in Bewegung setzt und das ist durchaus beeindruckend. 2020 haben wir erstmals begonnen, uns in einer losen Arbeitsgemeinschaft zur neuen Urheberrechts-Novelle zu beraten und schnell gemerkt, dass es sehr viel Sinn macht, unsere Kräfte zu bündeln und gemeinsam aufzutreten. Als nächsten logischen Schritt haben wir einen Verein gegründet, der sich nicht nur auf das Vertragsrecht sondern auf das Urheberrecht im Gesamten – und dabei vorrangig auf die Interessen der Urheber:innen und ausübenden Künstler:innen – konzentriert. Eine Kammer für Kunst ist in Österreich kaum zu etablieren, weil sich eine solche durch Pflichtmitgliedschaft auszeichnet und eine Finanzierung durch Pflichtbeiträge bei Kunstschaffenden bzw. deren Verbänden, die meist nur über beschränkte finanzielle Ressourcen verfügen, schwer realisierbar wäre. Um dies politisch zu ermöglichen, wäre eine Finanzierung durch die öffentliche Hand erforderlich, die aktuell nicht ersichtlich ist. Die Initiative Urheberrecht Österreich ist also sicherlich keine Kunst-Kammer im eigentlichen Sinn, wir sind jedoch eine Interessensvertretung, die grundsätzlich denselben Zweck verfolgt, sich aber auf urheberrechtliche Agenden fokussiert.

Der Fall Anika Decker – das Urteil zu ihren Gunsten ist noch nicht rechtskräftig – ist auch insofern interessant, als einer der Referenten bei unserer Konferenz jener Anwalt ist, der das Verfahren für die Drehbuchautorin führt. Bei den Til-Schweiger-Filmen Zweiohrküken und Keinohrhasen geht es um den sogenannten „Bestseller- oder Fairness-Paragrafen“, den es in Deutschland schon seit zwanzig Jahren und in Österreich in modifizierter Form seit der UrhG-Novelle 2021 gibt. Dieser soll im Sinne einer Adäquanzprüfung für Ausgleich sorgen, wenn ein besonderer wirtschaftlicher Erfolg, also ein besonderer Verwertungserlös auf Seite des Verwerters eintritt und die bezahlte Vergütung dazu in einem auffälligen Missverhältnis steht. Bei uns kam der betreffende Paragraf nicht auf Drängen der österreichischen Politik, sondern aufgrund einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019, aufgrund derer dieser umgesetzt werden musste. Ausgleichs-Verfahren dieser Art ziehen sich leider über viele Jahre bzw. Jahrzehnte, der zweite bekannte Fall ist jener von Jost Vacano und Das Boot (1981), auch dieses hat der deutsche Anwalt Nikolaus Reber, der bei unserer Konferenz zu Gast sein wird, geführt, er ist in Deutschland ein renommierter Prozessanwalt für solche Angelegenheiten. Dass Bestimmungen wie der besagte Paragraf oder das kollektive System der gemeinsamen Vergütungsregeln überhaupt existieren und politisch verankert werden, gelingt nur, wenn sich Organisationen, wie eben die Initiative Urheberrecht Österreich eine zu sein beabsichtigt, diese Modelle öffentlichkeitswirksam thematisieren und die Politik dazu bringen, sich dafür zu interessieren und sie schließlich auch umzusetzen.

In Bezug auf den Bereich des Streamings gefragt: Wie würde hier ein direkter Vergütungsanspruch konkret aussehen, wie funktioniert dieser Ansatz?
Gernot Schödl: Am Streaming-Markt herrscht aktuell eine ungerechte Verteilung, was wir im Rahmen unserer Initiative auch anhand von Studien aufzeigen werden. Im Bereich der Musik z. B. verdienen Plattformen wie Spotify & Co sowie die verbliebenen drei Major-Labels seit Jahren gutes Geld mit den Werken der Kreativen, die aktuell gar nicht bzw. völlig unangemessen – und zwar auch bei durchaus signifikanten Nutzungen – vergütet werden. Die Labels haben Streaming und nun auch KI als neue „cash cows“ für sich entdeckt, weil ihnen der physische Markt abhandengekommen ist. Der Umstand, dass deren Geschäftsmodell nicht mehr so funktioniert wie früher, weil Musikproduktion heute vergleichsweise billig ist und insbesondere die Aufgaben des Vertriebs und Marketings mittlerweile ganz andere Marktteilnehmer übernommen haben, kann und darf nicht zulasten der Kreativen gehen. Der Musikmarkt hat sich in den letzten 30 Jahren gänzlich verändert, von der Produktion bis zum Vertrieb von Musik. Die Investitionen und Leistungen, die ein Major-Label heutzutage erbringt, sind nicht mehr vergleichbar mit jenen vor 20–30 Jahren, weshalb auch das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers nicht mehr dasselbe wert ist. Es ist jedenfalls kein Grund ersichtlich, der dieses massive Ungleichgewicht im Bereich des Streamings rechtfertigt.

Man muss hier am oberen Ende der Vertragskette ansetzen: Direktvergütungsanspruche der Kunstschaffenden sind nicht gegen das Label oder die Filmproduktionsfirma gerichtet, sondern gegen die Social-Media- und Streaming-Plattformen. Wenn wir beim Beispiel Film bleiben, gibt es in den Verträgen z. B. von Regisseur:innen und Schauspieler:innen eingeräumte Nutzungsrechte, die dem Hersteller des Films Online-Rechte für die Verwertung einräumen. Diese Rechte benötigt der Hersteller auch, um die Kontrolle darüber zu haben, auf welchen Diensten und Plattformen das Werk verwertet wird, was in Ordnung ist und wir auch nicht ändern wollen. Die Rechte der Filmschaffenden werden jedoch nur einmalig abgegolten, ohne dass Online-Rechte dabei gesondert bewertet werden. Hier würde der Direktvergütungsanspruch ansetzen: Die Social-Media- und Streaming-Plattformen würden direkt an die Verwertungsgesellschaften der Kunstschaffenden zahlen – beim Film die VdFS, im Bereich Musik an die LSG Interpreten/OESTIG – und dieser direkte Geldfluss würde unabhängig von den Verträgen stattfinden. Nur so lässt sich eine Vergütung der Kunstschaffenden im Online-Bereich sicherstellen.

Und noch ein Nachtrag zur Praxis der Buy-outs, die zum Grundsatz des Urheberrechts, dass für jede Nutzung eines Werks eine angemessene Vergütung zu leisten ist, in krassem Widerspruch steht: In den Erwägungsgründen der EU-Richtlinie von 2019 wird festgehalten, dass Beteiligungen die Regel und Pauschalvergütungen die Ausnahme sein sollten – in Österreich ist es jedenfalls im Filmbereich, aber z. B. auch bei Studiomusikern, genau umgekehrt! Ich bin nun zwölf Jahre lang bei der VdFS tätig und habe noch nie einen Filmvertrag gesehen, in dem eine Erfolgsbeteiligung verankert ist, selbst bei bekannten, prominenten Namen nicht. Ändern lässt sich das nur mit dem bereits angesprochenen kollektiven System der gemeinsamen Vergütungsregeln, mit dem nutzungsbezogene und erfolgsabhängige Vergütungen kollektiv vereinbart werden können – ein in bester österreichischer Tradition sozialpartnerschaftliches System. So sollte Urheberrecht funktionieren, dafür ist Urheberrecht gedacht. Und die Idee der kollektiven Vergütung im Streaming-Bereich ist ebenfalls verwirklichbar, was wir im Rahmen unserer Konferenz aufzeigen werden. In der Schweiz etwa gibt es ein vergleichbares System bereits. Im Bereich der generativen KI schwebt uns, um es gleich vorwegzunehmen, ebenfalls ein solches kollektives Vergütungssystem vor.

Wie genau lässt sich das denn auf den KI-Bereich umlegen? Es ist ja überaus herausfordernd, in ein Feld sozusagen hineinzuarbeiten, dessen Parameter und Variablen erst im Begriff sind, ausformuliert zu werden. Wie geht die Initiative Urheberrecht Österreich da heran?
Gernot Schödl: Eines steht fest: Generative KI ist bereits Teil unseres täglichen Lebens und man kann und muss diese auch nicht verhindern. Es braucht jedoch Regulierung und klare Spielregeln. Auf EU-Ebene befindet sich aktuell eine KI-Verordnung im Trilog, die stark in Richtung von Transparenz, Kennzeichnungspflichten und Klassifizierung von KI-Systemen in verschiedene Risikoklassen geht. Wobei für die EU-Kommission primär der Schutz vor „Fake News“ im Fokus steht, urheberrechtliche Bestimmungen finden sich in der KI-Verordnung keine. Ein Teil der Problematik geht dabei von der EU selbst aus, da in der bereits angesprochenen Richtlinie 2019 eine freie Nutzung für „Text- und Datamining“ (TDM) vorgesehen ist, die primär Forschungseinrichtungen ermöglichen sollte, zum rein wissenschaftlichen und forschenden Gebrauch u. a. auch Werke und Leistungen, die urheberrechtlich geschützt sind, zu scannen. Es gibt jedoch in der Richtlinie – leider – auch ein Schlupfloch für kommerzielle Dienste, die mit diesen Einrichtungen zusammenarbeiten, wodurch Missbrauch Tür und Tor geöffnet ist, und ein nicht praktikables System des Opting-Outs für Kunstschaffende. Bei der Beschlussfassung im EU-Parlament hat jedoch niemand an generative KI gedacht, die es in der Form damals noch gar nicht gab. Erst seit Ende des letzten Jahres sind Dienste wie ChatGPT, Midjourney etc. publik und ist die Dringlichkeit der rechtlichen Einordnung dieser Dienste offensichtlich geworden. Das Problem ist nun, dass die rechtlichen Meinungen darüber, ob TDM auf der Input-Seite als freie Nutzung auch für generative KI anwendbar ist oder nicht, auseinandergehen. Wir, die Initiative Urheberrecht Österreich, und die meisten anderen europäischen Organisationen der Kunstschaffenden auch, meinen natürlich, dass das nicht der Fall ist, insbesondere auch weil TDM aktuell vergütungsfrei ist. Diese freie Nutzung, die für ganz andere Zwecke gedacht war, kann und darf jedenfalls kein Freibrief für Anbieter generativer KI-Systeme sein.

Unsere Initiative fordert in Bezug auf die Input-Seite daher eine gesetzliche Klarstellung, dass TDM auf generative KI entweder nicht anwendbar ist oder, sofern doch anwendbar, jedenfalls (kollektiv) vergütungspflichtig sein muss. Ebenso setzen wir beim Output an: Die relevanten Nutzungen – Vervielfältigungen und Bearbeitungen – durch und in KI-Systemen haben bereits massenhaft stattgefunden, dies obendrein vorrangig nicht in Europa, sondern in den USA, weshalb es „de lege ferenda“ einen eigenen kollektiv über Verwertungsgesellschaften wahrgenommenen Vergütungsanspruch für diese „neue Nutzungsart“ – und um eine solche handelt es sich bei generativer KI jedenfalls –geben muss. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass massenhafte Nutzungen von Werken und Leistungen der Kunstschaffenden durch KI-Systeme, die weder individuell lizenzierbar noch verhinderbar sind, auch in Europa bzw. in Österreich vergütet werden. Ein solches kollektives Vergütungssystem hat sich in der Vergangenheit z. B. auch bei der Privatkopie bestens bewährt (Speichermedienvergütung).