Indiana Jones, eine der Ikonen der Filmgeschichte, verdankt ihre Entstehung und Wirkung – neben den Talenten von Regisseur Steven Spielberg, Erfinder George Lucas und Darsteller Harrison Ford – vor allem zwei Dingen: Nostalgie und einem Abenteuerfilm mit Charlton Heston.
Dass George Lucas ein Nostalgiker ist, hätte man nach Ansicht seines Langfilmdebüts THX 1138 (1971) wohl kaum vermutet. Die Dystopie, die einige Jahre später einem Soundsystem den Namen gab (neben Actionfiguren, Kaffeetassen und so ziemlich allem, was mit dem Jedi-Kult zu tun hat, eine weitere gute Einnahmequelle für Lucas), porträtiert in klinischen Bildern eine streng reglementierte Gesellschaft, in der Gefühle und Sexualtrieb mittels Medikamenten unterdrückt werden. Da schien der Film, den er zwei Jahre später realisierte, wie eine Art Gegenentwurf – statt zwischenmenschlicher Kälte in der Zukunft stand nun ein warmherziger Blick auf die Vergangenheit am Programm: American Graffiti (1973), von Lucas inszeniert und geschrieben, von Francis Ford Coppola produziert und mit späteren Stars wie Richard Dreyfuss oder Harrison Ford besetzt, ist eine Hommage an die Teenagerjahre des späteren Franchise-Milliardärs in den frühen sechziger Jahren, die mittels Retro-Production-Design, Rock ’n’ Roll und rasanten Autos das Bild eines unschuldigen Amerika entstehen lässt. Auch der erste Teil des kulturellen Phänomens Star Wars (1977), der Lucas Reichtum und den Ruf eines Genies einbrachte, ist im Grunde kein Science-Fiction-Film, sondern eine Mischung aus Western und Abenteuerfilm im Weltall, aufgepeppt mit mythischen und religiösen Versatzstücken. Vorbild waren die sogenannten Serials der dreißiger und vierziger Jahre – kurze, billig produzierte Abenteuerfilme, die meist in Verbindung mit einem Hauptfilm gezeigt wurden. Jedes dieser Serials endete mit einem Cliffhanger, der ein, zwei Wochen später seine Fortsetzung fand. War dieser Einfluss bei Star Wars aufgrund des Weltraumsettings nicht unbedingt auf den ersten Blick ersichtlich, konnte man ihn bei der nächsten Filmreihe des geschäftstüchtigen Lucas nicht mehr übersehen: Raiders of the Lost Ark (1981).
SPIELBERG UND LUCAS – ZWEI WUNDERKINDER
Lucas hatte bereits in den frühen Siebzigern gemeinsam mit dem später als Arthouse-Regisseur bekannt gewordenen Philip Kaufman (The Unbearable Lightness of Being, 1988) an einer Story über die Abenteuer eines gewissen Indiana Smith gearbeitet. Den entscheidenden Anstoß bekam das Projekt aber, als Lucas 1977 Urlaub auf Maui machte und am Strand den dreißigjährigen Steven Spielberg, der gerade Close Encounters of the Third Kind abgedreht hatte, traf: Beim gemeinsamen Sandburgbauen erwähnte Spielberg, dass er gern mal einen James-Bond-Film drehen würde, doch Lucas bot ihm die Regie bei einem Projekt an, das seiner Meinung nach besser sei. Spielberg, der unter anderem mit Jaws (1975) bewiesen hatte, dass er ein Händchen für Blockbuster hat und in dessen Filmen Nostalgie auch oft eine gewisse Rolle spielt – man denke etwa an die Darstellung der US-Kleinstadt in E.T.: The Extraterrestrial (1982) – war begeistert und das Studio Paramount schnell an Bord. Eine Zusammenarbeit der beiden Wunderkinder schien erfolgversprechend. Und sie war es auch. Die Abenteuer des grabplündernden, peitscheschwingenden Archäologen Indiana Jones (Smith klang wohl nicht so gut), der sich, stets einen Fedora tragend, auf der Jagd nach der Bundeslade ein Wettrennen um die Welt mit den Nazis und seinem französischen Konkurrenten Belloq (Paul Freeman) liefert, wurden ein Welterfolg, die vom ehemaligen Tischler Harrison Ford (der bereits mit Han Solo in Star Wars eine Kultfigur der Populärkultur gespielt hatte) verkörperte Figur, bald auch „the man with the hat“ genannt, zur Ikone. Dabei hatte es das alles so ähnlich schon mal gegeben.
Am deutlichsten stand wohl Secret of the Inkas (1954) Pate: In Jerry Hoppers Film verkörpert Charlton Heston den Abenteurer Harry Steele, der im Dschungel Perus hinter einem Artefakt der Inkas her ist und sich gegen einen Konkurrenten behaupten muss. Die Parallelen sind frappant: Heston trägt Fedora, Lederjacke, Revolver und Umhängetasche – bloß die Peitsche fehlt. Einige Szenen in Raiders wirken beinahe schon wie nachgefilmt, nur mit mehr Action und mehr Budget: Die Kostümdesignerin von Raiders of the Lost Ark, Deborah Nadoolman Landis, meinte dazu: „We did watch this film together as a crew several times, and I always thought it strange that the filmmakers did not credit it later as the inspiration for the series“. Der „Rolling Stone“ erwähnte in der damaligen Filmkritik explizit die Serials: „The ultimate Saturday action matinee.“ Also bloße Kopie statt Postmoderne, reiner Abklatsch statt Zitat? Nein. Während Secret of the Inkas ein charmanter, unterhaltsamer Abenteuerfilm ist, bedeutete Raiders of the Lost Ark (für das Drehbuch zeichnete der spätere Erfolgsregisseur Lawrence Kasdan verantwortlich, der auch schon das Skript für The Empire Strikes Back geschrieben hatte) eine Revolution für das eskapistische Spektakelkino. Lucas’ Interesse an technischer Perfektion traf sich hier perfekt mit Spielbergs Gespür für Action und Bewegung. Der Film setzte neue Maßstäbe, was Faustkämpfe und Verfolgungsjagden, Tempo und Schnitt betraf – die Basis des modernen Actionfilms. Eine derartige Choreografie des Spektakels hatte das Publikum noch nicht gesehen. Dialogzeilen wie „Snakes! Why did it have to be snakes?“ wurden oft und gern zitiert, Szenen wie jene, in der Jones vor einer riesigen Steinkugel flieht, prägten sich ins kollektive Gedächtnis ein und John Williams’ Titelmelodie, der „Raiders March“ war ein Instant-Ohrwurm. Der Film erhielt acht Oscar-Nominierungen, darunter für den Besten Film und die Beste Regie; Spielberg wurde darüber hinaus auch für den Golden Globe nominiert. Da Spielberg und Lucas auch als Erfinder des maßgeschneiderten Blockbuster-Kinos gelten, sind Verweise auf Einspielergebnisse obligat: Raiders wurde der erfolgreichste Film des Jahres 1981 und ist, wenn man die Inflation einbezieht, immer noch einer der erfolgreichsten zwanzig amerikanischen Filme aller Zeiten.
Dass ursprünglich Tom Selleck, der schließlich wegen Dreharbeiten zur Serie Magnum absagen musste, als Hauptdarsteller vorgesehen war, ist heute kaum mehr vorstellbar, so sehr hat Harrison Ford der Rolle seinen Stempel aufgedrückt. Dass man in den meisten, auch in den gefährlichen Actionszenen sein Gesicht zu sehen bekommt, mag dazu beigetragen haben, dass seine Darstellung des zuschlagenden Akademikers so überzeugend wirkt; trotz Diarrhoe, die er sich während der Dreharbeiten zuzog, meisterte er die auch physisch anstrengende Rolle perfekt. Dem Durchfall ist übrigens auch eine der bekanntesten Szenen des Films zu verdanken. Ursprünglich war jene Sequenz, in der Doktor Jones einen wild mit dem Schwert herumfuchtelnden Bösewicht einfach erschießt, eine aufwändig choreografierte Kampfszene. Doch Ford, der sich erholen wollte, sagte zu Spielberg: „I got a gun. Why can’t I just shoot him?“
Dass es zu einer Fortsetzung kommen würde, war nicht nur im finanziellen Sinn logisch. Serials haben das nun mal so an sich. „George said if I directed the first one then I would have to direct a trilogy. He had three stories in mind. It turned out George did not have three stories in mind and we had to make up subsequent stories“, erinnert sich Spielberg im Making-of. Im zweiten Teil (der ein Jahr vor Raiders spielt) verschlägt es Jones (samt einer dauerkreischenden Blondine und einem für „Komik“ zuständigen chinesischen Jungen – beide wohl Lucas’ sicherem Händchen für nervende Nebenfiguren geschuldet, man denke nur an Jar-Jar Binks oder die Ewoks) nach Indien, wo er die zum Sklavendienst verschleppten Kinder eines Dorfes aus den Fängen einer brutalen Sekte, die ihren Opfern gern das Herz aus der Brust reißt, befreien soll. Der Film funktioniert vor allem im letzten Drittel als rasant inszenierte Achterbahnfahrt, doch Kritiker stießen sich vor allem an drei Dingen: Jones’ Freundin Willie Scott (Kate Capshaw, die Spielberg 1991, nach seiner Scheidung von Amy Irving heiratete) gleicht einem wandelnden, enervierenden Blondinenwitz, die indische Kultur erscheint nicht eben in einem guten Licht (Affenhirn auf Eis) und die Gewaltszenen waren vielen zu explizit sadistisch (von Folter bis Ekelinsekten ist alles dabei). Die Gewaltvorwürfe führten übrigens dazu, dass in den USA eigens für diesen Film eine neue Altersfreigabe eingeführt wurde, damit Kinder ab 13 in Begleitung ihrer Eltern ins Kino durften. Inwieweit die düstere Stimmung von den privaten Problemen Spielbergs und Lucas’ beeinflusst war (in beider Beziehungen kriselte es) oder schlicht dem Umstand geschuldet ist, dass Mittelteile oft die düstersten sind (wie The Empire Strikes Back), ist schwer zu sagen. Bei allen Schwächen des Films: Der Prolog in einem Nachtclub in Hong Kong, in dem Spielberg erst virtuos eine Szene aus Cole Porters Musical „Anything Goes“ (durchaus als Motto für die Reihe zu verstehen), dann eine Massenschlägerei inszeniert, sowie das Finale, in dem es eine Verfolgungsjagd mit Grubenwagen gibt, ist Spektakelkino vom Feinsten.
Der letzte Kreuzzug?
Schon der dritte Teil, Indiana Jones and the Last Crusade – Jones und sein Vater versuchen den Heiligen Gral zu finden und liefern sich dabei ein Wettrennen mit den Nazis und dem amerikanischen Geschäftsmann Walter Donovan (Julian Glover) – nahm Anleihen bei sich selbst und war mehr oder minder ein Remake von Raiders. Nach den durchwachsenen Reaktionen auf die düsteren Aspekte des zweiten Teils war man sichtlich bemüht, nicht an Humor zu sparen. Das Ergebnis ist rundum vergnüglich, wenngleich man nicht viel Neues zu sehen bekommt: Donovan ist im Grunde ein Belloq-Double (allerdings bei weitem nicht so interessant) und der Gral ist ein Stand-in für die Bundeslade. Dass die Nazis auch wieder mit von der Partie sind, liegt vermutlich daran, dass man bessere Bösewichte wohl kaum findet, unter den soliden Actionszenen ragt vor allem ein Kampf auf einem Panzer heraus. Bestens unterhaltendes Kino, das jedoch nie ganz an die furiosen Elemente der beiden Vorgänger heranreicht, die neue Standards im Spektakelkino einführten. Den dritten Teil, so Spielberg, hätte er als eine Art Entschuldigung für die düsteren Aspekte des zweiten Teils gemacht. Die Besetzung von Sean Connery als Indys Vater war ein Herzenswunsch des Bond-Fans Spielberg – Ford und Connery scheint das Geplänkel als Vater und Sohn („Don’t call me junior“) sichtlich Spaß gemacht zu haben. Ebenfalls amüsant: in einem 15-minütigen Prolog, in dem River Phoenix den jungen Jones darstellt, erfährt man, woher dieser Narbe, Peitsche und Hut bekam. Auch die Herkunft des Namens Indiana sowie Jones’ bürgerlicher Name werden verraten. Dass eine Szene in Salzburg spielt, aber im Studio gedreht wurde, kann man entweder produktionstechnischen Gründen oder der Präsidentschaft Kurt Waldheims zuschreiben.
The Last Crusade wäre ein würdiger Abschied des Mannes mit dem Fedora gewesen, doch die internationale Fangemeinde wollte, dass Ford noch einmal zur Peitsche greift. Jahrelang machten Gerüchte über einen vierten Teil die Runde, wurden diverse Storys, etwa die Entdeckung von Atlantis, kolportiert – Lucas machte inzwischen gutes Geld mit Indy-Computerspielen, -Büchern und Actionfiguren. Ford sagte in Interviews stets, dass er bereit sei, noch einen Teil zu drehen, wenn das Drehbuch stimme. Doch das ließ auf sich warten. Mehrere Drehbuchautoren (darunter M. Night Shyamalan, Frank Darabont oder Tom Stoppard) legten Entwürfe vor, das Triumvirat Lucas, Spielberg und Ford konnte sich aber erst 2007 auf ein Buch von David Koepp (Spider-Man) einigen. Mit dem vierten Teil Indiana Jones and the Kingdom of the Crystal Skull stand die Reihe, die ihrer nostalgischen Verehrung alter Filme so viel verdankt, plötzlich selbst im Zentrum der Nostalgie: Knapp 20 Jahre waren zwischen Indiana Jones and the Last Crusade und Crystal Skull vergangen, die Erwartungen der Fans enorm. Das Ergebnis war entsprechend enttäuschend. Statt der Abenteuer-Serials hatte sich der stets für die Stories verantwortliche Lucas nun die Science-Fiction-B–Movies der Fifties zum Vorbild genommen. Diesmal versucht Jones (zusammen mit seinem Sohn, von dessen Existenz er jahrelang nichts wusste) die legendären Kristallschädel zu finden und liefert sich dabei ein Wettrennen mit Kommunisten (eindeutig kein guter Ersatz für Nazis, trotz Cate Blanchett als Kummerl-Domina). Die Anspielungen auf vergangene Teile wirken bemüht, der Subplot mit Indianas Sohn (ein fehlbesetzter Shia LaBeouf) ist ebenso schwach wie die Wiederaufnahme der Liebesgeschichte mit Marion Ravenwood aus Raiders, die Nebenfiguren bleiben, anders als etwa Sallah (John Rhys Davies) aus Teil 1 und 3, blass. Ob es sich bei den „Skulls“ um Außerirdische oder „interdimensional beings“ handelt, ist einem am Ende auch schon egal. Spielbergs Inszenierungstalent blitzt hier nur selten auf: Die Schauplätze werden schnell abgehakt (vor allem in den ersten beiden Teilen konnte man sich länger auf die Locations einlassen) und die Action wirkt oft bemüht bis lächerlich. Zwar waren auch schon in den vorherigen Teilen unrealistische Actionszenen zu sehen – doch die Szene, in der Jones in einem Kühlschrank eine Atombombenexplosion übersteht, war zuviel des Guten und gebar den Terminus „nuke the fridge“ (eine Analogie zum Ausdruck „jump the shark“, die andeutet, dass eine Reihe ihren Höhepunkt überschritten hat und lächerlich geworden ist). Die Entscheidung, Crystal Skull zur Gänze in den USA zu drehen (Spielberg wollte angeblich nicht von seiner Familie getrennt sein), ist eine weitere Schwäche – ein Dschungel aus Plastikpflanzen trifft den Geist von B-Movies wohl deutlicher als intendiert. Dass die ersten drei Teile an exotischen Originalschauplätzen von Ägypten bis Indien gedreht wurden, war Teil ihres Reizes. Viele Fans wollten einfach ein weiteres Abenteuer sehen, aus dem Indiana Jones zerschunden, aber siegreich hervorgeht und keine müden Alterswitze. Mittlerweile machen Gerüchte über einen fünften Teil die Runde – vielleicht wird sogar etwas daraus, quasi als Entschuldigung für Teil vier. Der Nostalgie bleibt Spielberg jedoch auch in The Adventures of Tintin treu – ein Film, der direkt aus den Indiana-Jones-Filmen hervorgegangen ist: Ein europäischer Kritiker hatte nämlich Raiders gesehen und Spielberg gefragt, ob er sich von Hergés Comic-Reihe habe beeinflussen lassen. Spielberg hatte die Comics bis dahin nicht gekannt, besorgte sie sich und war begeistert. Nach 30 Jahren und mithilfe des Computers hat er nun den ersten Teil einer Trilogie ins Kino gebracht, die ebenfalls die Sehnsucht nach fernen Ländern und die Lust auf Abenteuer zum Thema hat.
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