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Ein leichtes Mädchen / Une fille facile

Filmkritik

Ein leichtes Mädchen

| Roman Scheiber |
Geschlechter- und Geldfragen im Gewand eines luftigen Coming-of-Age-Sommerfilms

Das Spiel der Geschlechter: in mancher Hinsicht ein Trauerspiel seit MeToo. In Schweden muss ein Mann nun einen Vertrag abschließen, um sich der Zustimmung einer Frau (oder eines „passiveren“ Partners, wie es im Gesetz heißt) zum Sex sicher sein zu dürfen. Vor allem freiheitsliebende französische Kommentatoren beiderlei Geschlechts, unterstützt von Grande Dame Catherine Deneuve, wandten in der heftigsten Phase der Geschlechterdebatte vor zwei Jahren dagegen ein: Gerade die unausgesprochene Anziehung mache doch den Reiz erotischen Begehrens aus. Nun, wenn zwei wollen, dann dürfen sie ja eh, und es gibt kein Problem. Doch wie sieht es aus, wenn es ein grobes Machtgefälle und/oder ökonomische Ungleichheit gibt zwischen den beiden? Wenn das Konzept des käuflichen Körpers in das Verhältnis hineinspielt (wie nicht selten im französischen Kino), ausdrücklich oder auch nur konkludent vereinbart? Oder, um die Sache auf Une fille facile anzuwenden: Was, wenn sich zwischen anscheinend lockerer, lebenslustiger Einstellung auf beiden Seiten plötzlich eine Kluft auftut, die eher an Schichtunterschiede als an sexuellen Missbrauch gemahnt?

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Auf verführerische und an Stellen täuschend anzügliche, doch keineswegs allzu explizite, vor allem aber auf intelligente Weise verhandelt Rebecca Zlotowski solche Fragen im Setting des Jetsets an der Côte d’Azur. Die junge Sofia (Zahia
Dehar, als damals Minderjährige im Zentrum des Prostitutionsskandals um die Fußballprofis Ribéry und Benzema) ist schon eine Frau, ihre Cousine Naïma (Mina Farid) wird gerade eine. Sofia, natürlich weder leichtsinnig noch leicht zu haben, bedeckt ihre üppigen Kurven nur mit dem Notwendigsten, wenn die beiden am Yachthafen von Cannes flanieren. Naïma erlebt erstaunt die Selbstsicherheit, mit der Sofia sich nimmt, was sie will. Etwa die Bekanntschaft mit zwei reichen, schönen, wenngleich etwas in die Jahre gekommenen Jungs, die gerade vor Cannes ankern. Man schlürft Cocktails, sonnt sich auf einem Segelausflug zu einer wohlhabenden Freundin des einen, begibt sich mit dem anderen in den Yachtsbauch.
Irgendwann zieht Zlotowski einen Fallstrick ein in ihre nuancierte Coming-of-Age-Story und verschiebt die Perspektive auf die Männer. Die anfangs lässige Liebelei unter Sommersonne stellt sich als wolkenverhangen heraus – und Naïma als nicht halb so naiv wie gedacht. Um Freundschaft und Vertrauen, um sozialen Status und die (Un-)Freiheit des Reichtums, um Lernen fürs Leben geht es hier nicht nur für Naïma, sondern für alle, die in der Einschätzung von Mitmenschen dem Vorurteil zugeneigt sind.