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Filmfestival

Ein starkes Zeichen

| Silvia Hallensleben |
Gerade noch rechtzeitig vor dem Lockdown fand das renommierte Kölner Filmschnitt-Festival unter dem neuen Namen „Edimotion“ statt.

Zwanzig Jahre wird das Kölner Festival für Filmschnitt und Montagekunst dieses Jahr alt, zum ersten Mal firmiert das ehemalige „Filmplus-Forum“ dabei unter dem neuen Namen „Edimotion“. Premierenstatus in der Geschichte des Festivals dürfte auch die hybride Durchführung haben, die (ganz knapp vor den neuen Vollbremsung des kulturellen Lebens in Deutschland) vom 23. bis 26. Oktober ein lokales Publikum mit angereisten Editorinnen und Editoren im Kinosaal zusammenbrachte und von einem Online-Programm begleitet wurde. Dabei waren (mittlerweile ja vertraute Ansicht) die Säle zwar ausverkauft, doch nicht einmal zu einem Drittel gefüllt.

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Unter den fünfzehn für die drei Schnitt-Preise nominierten Dokumentar-, Spiel-, und Kurzfilmen ragte Thomas Heises Lebenswerk Heimat ist ein Raum aus Zeit nicht nur wegen seiner Länge von dreieinhalb Stunden heraus, sondern auch als grandios gelungener Versuch, (fast) nur anhand materieller Dokumente die Geschichte der eigenen Familie mit dem „großen“ Weltgeschehen zu vermitteln. Editor Chris Wright berichtete von den gescheiterten Versuchen, den enormen Materialberg des Heiseschen Familienarchivs erstmal ohne chronologische Ordnung zu einem funktionierenden Film zu organisieren. Und er erzählt, wie er Heise dazu drängen musste, in der letzten Passage des Films wenigstens einmal das Wort „Ich“ in den Mund zu nehmen.

Die von Navigator-Film koproduzierte Arbeit war sicherlich ein Preis-Favorit. Doch die Dokumentarfilm-Jury entschied sich für Yana Höhnerbach, deren Montage von Pia Hellenthals Searching Eva „uns am Ende gleichermaßen ratlos wie erleuchtet zurück (lässt)“, wie es in der Begründung heißt. Das stimmt – und es ist keineswegs notwendig, Hellenthals dekonstruktivistisches Anti-Porträt einer Bloggerin wirklich zu mögen, um die aleatorische Editorinnen-Leistung mit der Integration unterschiedlichster Bildebenen zu genießen und zu schätzen. Der ebenfalls mit 7.500 Euro dotierte Spielfilm-Preis ging an Stephan Bechinger und Julia Kovalenko für den schon beim Deutschen Filmpreis in acht Kategorien (darunter auch Schnitt) ausgezeichneten Systemsprenger, wobei Editor und Editorin kurioserweise nicht gemeinsam sondern (aus Zeitgründen) in verschiedenen Phasen der Produktion zum Einsatz kamen.

Bonuseffekt der Online-Variante für das Festival war die durch den Wegfall von Reisekosten möglich gewordene verstärkte internationale Präsenz, so dass mit Teilnehmern aus neunundzwanzig Ländern ein Rekord aufgestellt wurde. Bei einem Panel zum US-Dokumentarfilm Welcome to Chechnia konnten so erstmalig auch vier Filmschaffende aus den USA virtuell präsent sein. Thema war der aufwendige Einsatz der umstrittenen Deepfake-Technologie zum Schutz von Protagonistinnen und Protagonisten des Films, der die Bemühung zur Rettung verfolgter Homosexueller und Transgender-Personen aus Tschetschenien begleitet.

Erstmalig waren dieses Jahr neben Filmen aus Österreich und Deutschland auch Schweizer Produktionen im Wettbewerb vertreten. Zusätzlich trat die Schweiz mit dem Besuch von Tania Stöcklin auch als diesjähriges „Gastland“ an. Stöcklin hat ihre berufliche Laufbahn als Spielfilm-Regisseurin begonnen, bevor sie ihre Leidenschaft für die Montage von Dokumentarfilmen fand. Bis zu dessen Tod 2014 arbeitete sie eng mit dem Dokumentarfilmer Peter Liechti zusammen. Diesjähriges Themenspecial war unter dem Schlagwort „Edi-Motion“ der Umgang der Montage mit der Bewegung selbst in den Bereichen Tanz, Leistungssport und Boxen.

Ehrenpreisträgerin Karin Schöning war, wie ihre beiden Laudatoren Gerd Kroske und Thomas Heise, persönlich nach Köln gereist, um sich der ungewohnten Aufmerksamkeit der Bühne auszusetzen. Schöning war mit über fünfzig von ihr montierten kurzen und langen Filmen eine der bedeutendsten Dokumentarfilm-Editorinnen Deutschlands, ihr Handwerk hatte sie von der Pike auf (selbstverständlich noch analog) gelernt: Zuerst im Kopierwerk Berlin-Johannisthal, wo sie Anfang der Sechziger eine Ausbildung zur Filmkopiefacharbeiterin machte und dann zielstrebig den Weg zur Schnittmeisterin im Dokumentarfilmstudio der DEFA einschlug. Nach deren Abwicklung gelang es ihr, auch im neuen System als freischaffende Editorin mit den favorisierten Regisseuren weiterzuarbeiten. Neben Heise und Kroske war das der im April letzten Jahres verstorbene Filmkünstler Heinz Brinkmann, der in Köln auf ihren Wunsch mit der spontanen Vorführung des Films Die Karbidfabrik (1988) in einer neuen, digitalen Kopie geehrt wurde.