Erde Nikolaus Geyrhalter

Filmstart 17. Mai

Erde

| Hans Langsteiner |
Eine Sandkiste, so groß wie ein Planet

Mit seinen sorgsam komponierten, ruhig montierten Kamera-Essays hat sich Nikolaus Geyrhalter längst als bildmächtigster Dokumentarfilmer des Landes etabliert. Im Idealfall sprechen seine unkommentierten Bilderfluten wie von selbst über soziale und gesellschaftliche Veränderungen, mitunter, etwa in Geyrhalters vorletzter Arbeit Homo Sapiens,  schrammt die schiere Abfolge eindringlicher Panoramen indes nur knapp an der Ästhetik von Dia-Shows vorbei.

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Erde, der jüngste Film des 47-jährigen Wieners, umschifft diese Gefahr souverän. Es geht um jene voluminösen Erdbewegungen, mit denen Menschen ihren Lebensraum zu zerstören drohen. Ob im kalifornischen San Fernando Valley oder im ungarischen Gyöngyös, ob im spanischen Rio Tinto oder an der heimischen Grenze zu Italien – stets bewegen gigantische Bagger und Bohrer nicht minder gigantische Erdmassen, als wäre der Planet eine einzige riesige Sandkiste.

Das klingt jetzt nach plattem Öko-Grün und fader Zivilisationskritik, doch so simpel ist dieser Film zu seinem Glück denn doch nicht gestrickt. Bei aller Klage über unwiederbringliche Verluste unterschlägt Geyrhalter weder die unleugbare Faszination, die von den Bigger-than-life-Maschinen auf den Baustellen ausgeht, noch die positiven Fernwirkungen, die scheinbare Naturzerstörung ja auch zeitigen kann. Dient ein Tunnel durch den Brenner nicht auch der ökologisch wünschenswerten Verkehrsentlastung und erschließt manche Planierung nicht auch neuen Lebensraum?

Seine vielschichtige Ambivalenz packt der Film in überwältigende Bilder. Formatfüllend recken sich da tonnenschwere Gerätschaften in die Landschaft, Aufnahmen aus schwindelerregender Höhe entrücken Abbaugebiete zu fast abstrakten Totalen, und bei den aus großer Nähe gefilmten spektakulären Sprengungen fragt man sich beklommen, wie das Filmteam da unverletzt davongekommen sein kann. Ausbalanciert wird diese Bilderflut durch die Kommentare der Arbeiter und Arbeiterinnen, denen der Film erfreulich viel Raum schenkt. Es sind durchwegs kluge und reflektierte Einsichten in die eigene Rolle, die da, meist streng auf Mittelachse gefilmt, direkt in die Kamera gesprochen werden. Und so gerät diese scheinbar so globale Betrachtung über das unheilvolle Wirken der Gattung Mensch zuletzt unversehens zu einer, um es mit Aaron Copland zu formulieren, „Fanfare für the Common Man“, zu einer filmischen Feier der Humanität.