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Filmfestival Innsbruck – Ein Interview mit Helmut Groschup

| Walter Gasperi |

Das Internationale Filmfestival Innsbruck findet heuer bereits zum 16. Mal statt. 1992 aus Anlass des 500. Jahrestags der „Entdeckung“ Amerikas als kleines „America Film Festival“ gegründet, stellt das IFFI heute das im deutschsprachigen Raum wichtigste Festival für das Filmschaffen des Südens dar. Von 5. bis 10. Juni werden unter dem Motto „Weitersehen – weiter sehen“ rund 50 Filme gezeigt, wobei das Spektrum von aktuellen Spiel- und Dokumentarfilmen über einen Schwerpunkt zum Filmschaffen im Mittelmeerraum bis zu Hommagen an Akira Kurosawa und Harun Farocki reicht. Ein Gespräch mit Festival-Leiter Helmut Groschup.

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Wieso spezialisiert sich das inmitten der Alpen gelegene Innsbruck gerade auf Filme aus dem Süden?
Innsbruck war und ist seit langer Zeit ein Verkehrsknotenpunkt – alle, die in den Süden wollen, müssen durch Innsbruck. Innsbruck hat eine der ältesten Universitäten der Alpen und eine intakte NGO-Szene mit dem erfolgreichsten Weltladen Europas. Wieso sich also nicht auch auf Filme aus dem Süden konzentrieren? Als wir anfingen, gab es kaum ein Bewusstsein für fremde Bilder. Der Ferntourismus war noch reichen Leuten vorbehalten, das Internet steckte in den Kinderschuhen, und die allgemeine Information über ferne Ecken dieser Welt ließ noch zu wünschen übrig. Aus einem Festival, das an die Conquista erinnern wollte, entsprang das Bedürfnis nach Filmen aus den Ländern der so genannten Dritten Welt.

Ihr kooperiert mit Organisationen wie Caritas, Südwind oder der Abteilung für Entwicklungszusammenarbeit des Außenministeriums. Versteht sich das IFFI dezidiert auch als politisches Festival, das bei der Filmauswahl die Ziele und Interessen der Kooperationspartner mit berücksichtigt?
Was heißt Partnerschaft im Sinne einer funktionierenden Kooperation? Gehen wir von zwei Partnern aus, ist Voraussetzung, dass beide Ideen einbringen und beide einen finanziellen und organisatorischen Beitrag leisten. Bei mehreren Partnern ist natürlich auf ein multilaterales Vertrauen Rücksicht zu nehmen. Das betrifft vor allem Partner, die aus der selben Branche kommen. Somit ist das IFFI ein politisches Festival, weil es uns mitunter auch gelingt, politische und wirtschaftliche Konkurrenten in ein und demselben Event zu Partnern zu machen. Das verlangt diplomatisches Gespür und Kommunikationskompetenz. Wir leisten für die Stadt, aber auch fürs Land demokratiepolitische Kulturarbeit. An einem Abend kann es passieren, dass sich die HOSI, die Arbeiterkammer, der Weltladen, ein Uni-Institut, ein Fußballverein und eine der politischen Akademien im selben Rahmen präsentieren und für die gleiche Sache Engagement zeigen. Darauf sind wir stolz.

Wie viele Filme habt ihr für das heurige Festival gesichtet?
Unzählige. Wir sind zwar ein gutes halbes Dutzend Leute, die Filme anschauen, aber es ist hart: Du musst schon viele schlechte Filme sehen, um einen guten fürs Festival zu finden.

Gibt’s da auch Festivals, die fix jedes Jahr besucht werden und eine Fundgrube für euer Programm darstellen?
Ja, das sind immer andere: Im Moment sind Rotterdam und San Sebastian die Favoriten, aber ich persönlich fahre auch gern nach Thusis (Schweiz) und Freistadt, alle zwei Jahre nach Ouagadougou, und mit dem Kurzfilmfestival in Abidjan (Elfenbeinküste) bestehen Kooperationen.

Lassen sich dabei neue Trends feststellen oder neue Filmnationen entdecken?
Kunst hat keine Trends. Schau mal Farocki, Godard oder Kurosawa an, und Nationen werden ja ständig wieder abgeschafft und gegründet. Eurofilm, junger slowenischer Film – die Geschichte schlägt doch ihre eigenen Kapriolen. Das IFFI hat wenig mit Geografieunterricht und Medienkunde zu tun. Fassbinder und Pasolini würden sich bedanken, würden sie auf Trends und Nationen reduziert.

Auffallend ist, dass ihr bei einer Gesamtzahl von rund 50 Filmen diese in relativ viele verschiedene Sparten splittet. Was sind die Gründe für diese Vorgangsweise?
Die Kennzeichnung von Sektionen gehört zum Fahrplan des Festivals. Bei der ÖBB gibt’s ja auch verschiedene Programme, die alle den Transport von Personen und Gütern meinen. ­Manche mögen’s exklusiv, manche mögen Diskussionen, manche wollen ihre Ruhe im Kino haben, andere sehnen sich nach Kontakt mit Weithergereisten. Diesen und anderen Aspekten wollen wir als Festival besonders Rechnung tragen und arbeiten auch in einem öffentlichen Auftrag, der nicht nur Information und Bildung beinhaltet, sondern eben auch Entertainment.

Wir müssen aber auch den Gästen zur Verfügung stehen. Nur um ein Beispiel zu erwähnen: Der Star der 16. Auflage, Goran Paskaljevic, hat sich die Präsentation von Optimisti außerhalb des Wettbewerbs gewünscht. Andere, vor allem afrikanische Filmemacher nehmen wiederum gerne teil. Den Schritt, den das Festival in Fribourg getan hat, nämlich Dokumentar- und Spielfilme zusammenzulegen, haben wir noch nicht vollzogen.

Bedauerlich ist, dass in den letzten Jahren kaum einer der von euch gezeigten Filme den Weg in die Kinos fand. Ist der Mut der Verleiher geschwunden, oder ist diese Verleihpolitik eine Reaktion auf sinkendes und fehlendes Publikumsinteresse?
Erstens haben wir etliche Filme selbst in den Verleih genommen, wie beispielsweise mit Erfolg Namibia Crossings. Andererseits gibt’s leider kaum mehr Verleiher mit Zivilcourage und Engagement, und drittens ist die Logik falsch: Wenn Filme nicht gezeigt werden, können sie nicht gesehen werden. Hätten wir das Budget anderer Kulturevents, bräuchten wir mehr Kinos, um das große Publikumsinteresse zu stillen.

Verweist das Motto „Weitersehen – weiter sehen“ auch auf die Zukunft des Festivals? Gibt’s in dieser Hinsicht Überlegungen und neue Ideen?
Schauen wir mal! Mottos sind sowieso nur für Journalisten und Politiker da, damit sich diese orientieren können. Das IFFI ist ein Work in Progress, ein Schaufenster in Arbeit.