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Hole-in-the-Ground

Filmkritik

The Hole in the Ground

| Jakob Dibold |
Maaaaaaaammy, where are you?

Unbehagliche, vogelperspektivische Kameraverfolgung eines gelben Autos als Eröffnungssequenz, da war doch was…? Ganz so imposant wie bei Kubrick beginnt die Reise des Grauens zwar hier, hinein in eine abgelegene Waldlandschaft Irlands, zwar nicht, doch sofort wird klar: Die scheinbare Glückseligkeit der in der allerersten Einstellung gezeigten Mutter-Sohn-Beziehung wirft einen sehr düsteren Schatten.

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Jungmutter Sarah ist mit ihrem Sohn Chris in ein Landhaus gezogen, wohl deshalb, um dem Vater des Kindes zu entfliehen. Nach zwei verstörenden Begegnungen mit einer alten Einwohnerin des Dorfes, bemerkt Sarah nach und nach immer auffälligere Veränderungen im Benehmen ihres Sprösslings und sie fängt unweigerlich an, die mysteriösen Geschichten, die man sich über die alte Dame erzählt, ernst zu nehmen. Während ihre Paranoia wächst und wächst, verdichten sich die Hinweise darauf, dass der riesigen, dolinenartigen Erdgrube im nahen Wald eine zentrale Rolle in den Geschehnissen zukommt. Und auch, dass mit Chris tatsächlich etwas ganz und gar nicht stimmt, lässt sich bald nicht mehr leugnen.

Wenn A24 einen neuen Horrorstreifen produziert oder vertreibt, werden spätestens seit The Witch oder Hereditary nicht mehr nur Genrefans hellhörig und -sichtig. An solche Erfolge wird es Lee Cronins Langfilmdebüt doch wahrscheinlich eher schwer haben anzuschließen, obwohl man auch ihm die Ambition zugestehen darf, die klassischen Horror-Formalia nicht bis zur Langeweile überzustrapazieren. So kommt The Hole in the Ground bis auf ein paar Ausnahmen ohne simple Schockmomente aus und funktioniert stattdessen eher mittels des die psychische Talfahrt der Mutter begleitenden Thrills und lange auch durch die oft stille, sich schleichend entwickelnde Unheimlichkeit seiner Kinderfigur. Das Unheimliche eröffnet sich zum einen durch die physische Verrückung des Lebensmittelpunkts und andererseits die immer stärkere psychische Entfremdung des Eigenen, das sich auf unerklärliche Weise von einem selbst zu entfernen scheint, (sinn-)bildlich als eine Grube abgründiger Verlustängste. Es ist gerade die mangelnde, meist nur in Facetten angedeutete Ausführung ebendieser stärksten Elemente, die dem Film, in dem einiges sehr gelungen unter die Haut geht (schon für sich ein schauriges Vergnügen: Kaurismäki-Stamm-Mimin Kati Outinen als Grusel-Nachbarin), einiges an Potenzial nimmt. Wahrhaftig hineingezogen wird man wohl nur dann, wenn man sich aktiv dafür entscheidet.