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Internationale Kurzfilmtage Oberhausen

Filmtherapie aus Oberhausen

| Oliver Stangl |
Die Internationalen Kurzfilmtage lassen Filmschaffende über Filmarbeit in Zeiten der Krise reflektieren.

Mit Gleichgesinnten Filme schauen und leidenschaftlich darüber reden – ein soziokulturelles Erlebnis, das Kino im Allgemeinen und Festivals im Besonderen ausmacht. Die Kurzfilmtage Oberhausen gehören zweifellos zu den sympathischsten und internationalsten Filmfestivals im deutschsprachigen Raum, der diesjährige Ausfall durch Covid-19 trifft den Filmfreund also durchaus hart. Ein wenig Seelenklempnerei würde der Cineastenseele somit gut tun – schön, dass Festivaldirektor Lars Henrik Gass und sein Team sich dahingehend etwas überlegt haben: Die Kurzfilmtage luden Filmschaffende ein, Videos zur Frage „Kann und muss man jetzt Filme machen?“ zu erstellen. Der Clou ist gleichsam der Hintergrund: Die Produktion wurde zum in Deutschland üblichen Tarif einer psychotherapeutischen Sitzung honoriert und durfte daher nicht aufwendiger als eine Stunde sein.

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In manchen der so entstandenen Beiträge vermeint man durchaus konkrete Anspielungen auf das Virus erkennen, beispielsweise in dem mit ausgefallenem Humor versehenen Beitrag des deutschen Künstlerduos Andree Korpys und Markus Löffler: Ist ihr Film (Dauer: 1:42 Minuten), in dem sich ein Kind an einer Antenne festhält, als Satire auf jene Verschwörungstheorien zu begreifen, die den Mobilfunkstandard 5G als Wurzel allen Corona-Übels sehen? Wer weiß. Aber in Zeiten wie diesen darf man auch mal zur offensichtlichen Deutung greifen.

Einen Einblick in ihre Kreativwerkstatt geben Andreas Reihse (Künstler, Musiker und eines der Gründungsmitglieder der Musikgruppe Kreidler) und Zaza Rusadze (Videokünstler): In ihrem Videodialog (eines der Corona-Benchmarks schlechthin; Dauer: 9:07 Minuten) geht es um die Überlegungen, die hinter dem Musikvideo zur Kreidler-Nummer „Eurydike“ stehen. Wie Musik in visuelle Formen übertragen wird, kann man in den eigenen Worten der sympathischen Protagonisten mitverfolgen, zur weiteren Illustration dienen Splitscreens und der Einsatz von Primärfarben.

Um Kreativität geht es auch in anderen Beiträgen: Der deutsche Künstler Jens Pecho macht sich in seinem Film (Dauer: 4:46 Minuten) Gedanken über Originalität und Produktionszwang, indem er einen Clip des Serienkillerfilms Copycat auf seinem Mac ablaufen lässt. Neben der Auseinandersetzung mit eigenen kreativen Impulsen vielleicht auch ein Anlass, das Gedächtnis wieder aufzufrischen und nachzuforschen, ob der prominent besetzte Hollywoodfilm was kann – oder ob er, seinem Titel entsprechend und nach Meinung mancher Kritiker, ein bloßer Abklatsch von Filmen wie The Silence of the Lambs oder Seven ist. Weitere sehenswerte Beiträge stammen u. a. von Dietrich Brüggemann, Alex Gerbaulet, Kerstin Honeit oder Maximilian Linz.

Nun denn: Filmtherapie in Anspruch nehmen und darauf hoffen, dass man die nächsten Kurzfilmtage wieder vor Ort erleben kann.