Hilary Swank im Gespräch
Den ersten Oscar bekam sie vor vierzehn Jahren für Boys Don’t Cry, in dem sie eine junge Frau spielt, die sich als Mann ausgibt und später ermordet wird. Den zweiten Oscar holte sich Hilary Swank für ihren Auftritt als Boxerin in Million Dollar Baby von Clint Eastwood. Anschließend spielte sie an der Seite von Scarlett Johansson in Brian De Palmas Black Dahlia, als engagierte Lehrerin in Freedom Writers, die Titelrolle im Justizdrama Betty Anne Waters oder trat als Flugpionierin in Amelia von Mira Nair auf. Nun gibt die vielseitige 40-jährige Amerikanerin mit deutsch-spanisch-indigenen Wurzeln in The Homesman eine mutige Farmerin, die drei psychisch kranke Frauen in einem Pferdewagen durch die Wildnis fährt.
Tommy Lee Jones mag die Bezeichnung Western nicht besonders für seinen Film, sehen Sie das ähnlich?
Hilary Swank: Tommy mag diese Bezeichnung nicht, weil das gleich nach Schublade klingt. Wer darin einen Western sehen möchte, bitte sehr. Für mich persönlich ist The Homesman ein historisches Drama mit Elementen eines Western.
Wie haben Sie sich auf die historische Reise vorbereitet?
Hilary Swank: Ich habe nicht viele Recherchen benötigt. Alles, was ich für diese Rolle wissen wollte, stand bereits im Roman und im Drehbuch. Tommy Lee Jones ist ein brillanter Kopf, der alle Lücken, sofern sie vorhanden waren, souverän ausgefüllt hat.
Immerhin haben Sie reiten und pflügen gelernt …
Hilary Swank: Stimmt, ich lernte reiten, den Umgang mit Eseln und pflügen. Das klingt nicht besonders schwierig, aber wenn man diese Kostüme aus steifem Stoff trägt, ist es wirklich nicht ganz einfach. Wenn dein Kleid samt Unterrock zehn Pfund wiegt, kommst du nicht so leicht in einen Sattel.
Wie sehr mögen Sie diese Mary, die Sie spielen?
Hilary Swank: Ich mag alle Figuren, die ich spiele. Wenn ich eine Figur nicht liebe, könnte ich sie nie darstellen. Mary ist eine großartige Frau, sie besitzt mehr Aufrichtigkeit und Moral als jede andere Rolle, die ich je gespielt habe. Sie handelt vollkommen selbstlos und ist dabei sehr mutig.
Demnach könnten Sie keine Mörderin spielen?
Hilary Swank: Das hängt von der Mörderin und ihrer Motivation ab. Mörder sind gestörte Persönlichkeiten, kaum jemand fällt als Verbrecher vom Himmel. Der Schlüssel liegt darin, ob ich das Verhalten einer Figur nachvollziehen kann.
Inwieweit sehen Sie in The Homesman einen aktuellen Bezug zur heutigen Zeit?
Hilary Swank: Der Film handelt von Frauen, die damals an den Rand gedrängt und zu bloßen Objekten gemacht wurden – für mich ist das bis heute aktuell. Es wäre verrückt zu glauben, das gehöre der Vergangenheit des 19. Jahrhunderts an, das Problem besteht auch 2014. Wenn ich mich allein in meiner Branche umschaue, verdienen Frauen viel weniger als Männer. In neun von zehn Fällen wird mir bei attraktiven Filmprojekten gesagt: „Wir besetzen erst einmal die männliche Hauptrolle und schauen anschließend, welche Frau am besten zu ihm passt.“ Danach heißt es immer: „Wir haben ihm soundsoviel Gage bezahlt, für dich bleibt nur noch dieser Betrag übrig.“ Und das passiert bei Männern, die nur durch einen einzigen Film bekannt wurden.
Haben Sie deswegen Ihre eigene Produktionsfirma für mehr Frauenpower gegründet?
Hilary Swank: Wir suchen nicht explizit nach Filmen mit starken Frauenfiguren. Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte, egal ob die Hauptfigur männlich oder weiblich ist. Wenn dann auch noch ein talentierter Regisseur hinzukommt, hat man ein gutes Paket. Im Kern geht es also immer nur darum, möglichst starkes Material zu finden.
Wie kommt es, dass nur elf Prozent aller Filme von Frauen gedreht werden?
Hilary Swank: Dafür habe ich auch keine Erklärung, wobei Regie nicht mein Feld ist und ich das selbst nie versucht habe. Ich weiß also nicht, ob Frauen wegen ihres Geschlechts für Regiejobs abgelehnt werden oder ob sie einfach keine Lust haben, Filme zu drehen.
Welche Auswirkungen hat es für das Drehen, wenn der Regisseur zugleich auch Schauspieler ist?
Hilary Swank: Das ist ein großer Unterschied im Umgang miteinander. Weil Tommy selbst diese Erfahrung als Schauspieler besitzt, spricht er als Regisseur ganz anders mit seinen Darstellern als jemand, der diesen Hintergrund nicht hat. Man spürt beim Drehen sehr genau, dass er weiß, was er tut. Dadurch wird die Atmosphäre sehr viel entspannter für einen selbst.
Ist diese Entspanntheit gleich von Anfang an vorhanden oder bedarf es erst der Annäherung?
Hilary Swank: Die ersten Szenen sind immer ein bisschen komisch, schließlich ist dein Spielpartner zugleich dein Regisseur. Selbst bei Clint Eastwood hatte ich am Anfang das Gefühl, er betrachtet dich in einer Szene mehr als Regisseur denn als schauspielerisches Gegenüber. Aber dieser erste Eindruck verschwindet schnell, und sobald man das vergessen hat, fühlen sich alle sehr wohl.
Sie haben eine glänzende Karriere, zwei Oscars inklusive. Müssen Sie noch etwas beweisen?
Hilary Swank: Ich muss mir vor allem selbst etwas beweisen, das war schon immer so. Ich bin ein sehr konkurrenzbetonter Mensch – aber diese Konkurrenz gilt mir selbst. Ich will mich nie auf Erfolgen ausruhen und mir sagen: „Du hast es geschafft!“. Sobald man das tut, kann man sich nicht mehr weiterentwickeln und wachsen. Ich versuche ständig, besser zu werden. Ich suche immer nach Regisseuren, die mir helfen, eine nächste Stufe zu erreichen. Und auch als Person möchte ich weiter wachsen.
Wie konkurrenzbetont sind Sie gegenüber Kolleginnen?
Hilary Swank: Es gibt genügend Rollen für alle. Ich käme nie auf den Gedanken, zu fragen: „Warum habe ich diese Rolle nicht bekommen?“. Mir gefällt es, starke Frauen bei ihrem Erfolg zu erleben. Mich begeistert es, wenn ich Schauspielerinnen in einer Glanzrolle erlebe. Da kommt kein Neid auf, das sind Inspirationen für mich.
Was wären Beispiele für solche Inspirationen?
Hilary Swank: Sandra Bullock in Gravity hat mich total begeistert, umso mehr, als Sandra dabei allein vor dieser grünen Leinwand stand und gar keinen Partner hatte. In dieser Situation derart glaubhaft zu wirken ist unglaublich schwierig. Ein weiteres Beispiel wäre natürlich Meryl Streep – egal, in welchem Film!
Gibt es in all Ihren bisherigen Filmen eine Szene, auf die Sie am meisten stolz sind?
Hilary Swank: Eine einzelne Szene könnte ich nicht nennen, aber sicher gibt es welche, die besser gelungen sind als andere. Das Aufregende in diesem Geschäft ist ja, dass es voller Überraschungen steckt und man nie weiß, wie Dinge sich entwickeln. Niemand kann vorhersagen, ob ein Film funktionieren wird. Natürlich will keiner schlechte Filme machen, aber bisweilen passiert das, denn man ist immer so gut wie das schlechteste Glied einer Kette. Mittlerweile habe ich eine ganz neue Wertschätzung dafür entwickelt, wenn eine Zusammenarbeit gut funktioniert.
Hatten Sie als Kind auch andere Berufspläne als Schauspielerin zu werden?
Hilary Swank: Meine Mutter erzählt gerne, dass ich schon als Achtjährige Schauspielerin werden wollte. Mit sechs wollte ich Astronautin und natürlich auch Tierärztin werden. Weil ich Veterinärin und Vegetarierin damals durcheinander brachte, sagt meine Mutter noch heute: „Du hast es geschafft. Du bist Schauspielerin und Vegetarierin geworden.“
Wie sieht ein typischer Tag bei Ihnen aus?
Hilary Swank: Mit meiner Produktionsfirma suche ich nach neuen Projekten. Ich lese viele Drehbücher, und weil ich eine langsame Leserin bin, benötige ich drei Stunden für ein Skript. Zudem schaue ich Fernsehen, weil dort nach meiner Ansicht mittlerweile die guten Autoren zu entdecken sind. In meiner Freizeit mache ich gern Sport, meine neue Leidenschaft gehört dem Tennis. Ich esse gern und bin stets auf der Suche nach guten Restaurants und neuen Rezepten fürs Backen. Natürlich bin ich eine begeisterte Kinogängerin. Und schließlich lerne ich Französisch und besuche dafür dreimal in der Woche eine Schule.
Wussten Sie, dass Ihre Synchronsprecherin Sandra Schwittau auch die deutsche Stimme von Bart Simpson ist?
Hilary Swank: Wirklich? Das ist ja phantastisch!
Ein Interview mit Tommy Lee Jones lesen Sie hier!