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Im Herzen Jung

Filmstart

Im Herzen jung

| Ralph Umard |
Beziehungsdrama über die grenzenlose Kraft der Liebe

Während Partnerschaften von Männern im fortgeschrittenen Alter und wesentlich jüngeren Geliebten zuweilen belächelt, aber gemeinhin toleriert werden, führen Verhältnisse von Frauen mit jüngeren Partnern häufig zu feindseligen Reaktion in ihrem gesellschaftlichen Umfeld, oder sorgen zumindest für Stirnrunzeln – es sei denn es handelt sich um Prominente, wo solche Beziehungen für öffentliches Interesse sorgen.

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Shauna Loszinsky (Fanny Ardant), eine elegante Architektin im Ruhestand, verliebt sich mit siebzig in den glücklich verheirateten Arzt Pierre Escande (Melvil Poupaud), der ihre Gefühle zunächst zögerlich erwidert. Ein Vierteljahrhundert Altersunterschied trennt die attraktive Großmutter und den sympathischen Familienvater. Schließlich ergreift der vielbeschäftigte Onkologe die Initiative, er verabredet sich mit der Pensionärin. Nach ersten, scheuen Annährungsversuchen mit zärtlichem Händchenhalten funkt es und Pierre entbrennt in leidenschaftlicher Liebe. Doch Shauna hat Angst vor einer festen Bindung, sieht keine Zukunft darin, fürchtet Auseinandersetzungen mit den Angehörigen. Und tatsächlich reagieren Pierres Ehefrau, sein bester Freund und Shaunas erwachsene Tochter zunächst entsetzt auf die unschickliche Liaison. Die Situation eskaliert zusätzlich, als Shauna mit der Diagnose Parkinson konfrontiert wird.

Dank Carine Tardieus feinfühliger Inszenierung eines facettenreichen Drehbuchs mit stimmigen Dialogen wirkt die Liebesgeschichte ehrlich, lebensnah und nie sentimental. Intime Sequenzen sind taktvoll mit wenig Licht gedreht, der Schnittrhythmus ist langsam. Bei dramatischen Auseinandersetzungen erhöht sich das Tempo. Romantische Klaviermusik wird sparsam und unaufdringlich eingesetzt. Die Figuren und ihre vorzüglichen Darsteller agieren dabei glaubwürdig. Großaufnahmen bieten Gelegenheit, Fanny Ardants nuanciertes Mienenspiel zu betrachten, die 1949 geborene Actrice, eine feste Größe im französischen Kino, fasziniert hier mit einer wahrhaft reifen schauspielerischen Leistung.

Neben der zentralen Liebesgeschichte geht es um Beziehungen zwischen Müttern und Töchtern, um Freundschaft, Einsamkeit, den Mut, gesellschaftliche Konventionen zu überwinden und trotz existenzieller Fesseln Erfüllung im Leben zu finden. „Dem Tod und der Angst vor dem Tod mit dem Wunsch nach Leben begegnen“, ist laut Carine Tardieu das Thema des Films. Also sollte man nicht Erinnerungen an die Vergangenheit nachhängen oder furchtsam in die Zukunft blicken, sondern bewusst in der Gegenwart leben und das Beste daraus machen.