Jonathan Film

Filmstart 23. Mai

Jonathan

| Ines Ingerle |
Zaghafter Erklärungsversuch zwischen Wissenschaft und Metaphysik

Was ist die Seele? Wie kommt sie in unseren Körper, wie verlässt sie ihn wieder? Kann in einem Körper immer nur eine existieren oder können manchmal sogar mehrere Seelen darin wohnen? Und wenn ja, was passiert, wenn diese Seelen in Konflikt miteinander geraten? Diese und ähnliche Fragen beschäftigen die Menschheit seit jeher. Über die Jahrzehnte hinweg gab es unterschiedliche Ansätze, etwas so Abstraktes und Ungreifbares wie die menschliche Seele zu beschreiben. Generationen von Schamanen, Theologen, Philosophen und Psychologen beschäftigten sich damit. Heute probieren sich auch Naturwissenschaftler an einer Definition mittels Synthese zwischen Wissenschaft und Religion.

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Bill Oliver versucht mit Jonathan eine mögliche Antwort zu geben: Jonathan und John (beide Ansel Elgort) sind zwei Brüder Anfang zwanzig, die sich einen Körper teilen. Jeder der beiden hat exakt zwölf Stunden, in denen er Mensch ist – Jonathan von 07:00 bis 19:00 Uhr, John von 19:00 bis 07:00 Uhr. Den Rest der Zeit schlummert die Seele im wachen Körper des anderen. Damit das Gehirn nicht durcheinander kommt, wurde dem Körper eine Art Stimulations-Implantat eingepflanzt. Solche Teile werden im realen Leben verwendet, um neurologische Dysfunktionen zu behandeln. In Jonathan dient das Implantat vor allem auch dazu, dass die Ärztin und Psychologin Dr. Nariman (Patricia Clarkson) den Überblick über ihre speziellen Patienten behalten kann. Irritierend ist, dass sie und ihre Kompetenzen im Laufe des Filmes nie unter Beweis gestellt werden. Als nach einem Vertrauensbruch (natürlich ist eine Frau im Spiel) die Dinge aus dem Ruder laufen, scheint Dr. Nariman nur resignativ zusehen zu können – dabei müsste sie doch im Grunde genau wissen, was zu tun ist, schließlich hat sie das Konzept erfunden und bereits mehrere derartige Fälle betreut. Diese Ungereimtheit ist leider nicht die einzige, die in Jonathan auftaucht. So interessant die Idee des Films ist, Olivers Inszenierung scheint irgendwo auf halbem Weg die Bremse zu ziehen. Wichtige Fragen werden nicht beantwortet und nehmen der Handlung dadurch immer mehr an Glaubwürdigkeit, die besagte Frau (Suki Waterhouse) bleibt reine Gehilfin, um die Geschichte weiter voran zu treiben. Das wohl interessanteste Element ist die Tatsache, dass der Zuschauer nur Jonathans Charakter folgt. Das Leben Johns wird somit großteils im Dunklen gelassen – nicht nur im wörtlichen Sinne (denn der Arme ist ja nur nachts am Leben). Dadurch wird Spannung erzeugt, die sich aber letztendlich im Nichts verläuft.

Ein ambitionierter jedoch leider wenig schlüssig umgesetzter Film über Identität und Autonomie, über seelische und körperliche Verbindungen, über Akzeptanz und Toleranz und darüber, wie leicht wir Menschen gleichzeitig lieben und hassen können.