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High-Noon - Kubrick und die Kabbala

Veranstaltung | 10. und 11. Dezember

Kubrick und die Kabbala

| Roman Scheiber |
Eine Konferenz in Wien entdeckt den Film als moderne Form des Midrasch, gewissermaßen als visuelle Primärquelle jüdischer Studien.

Ein bekannte Selbsteinschätzung von Stanley Kubrick lautet sinngemäß: „Ich bin nicht wirklich Jude, ich stamme nur zufällig von jüdischen Eltern ab.“ Ähnliches gilt für Kubricks Filme. Sie sind nicht wirklich jüdisch, aber wie der Kulturwissenschafter und Filmprofessor Nathan Abrams herausgefunden hat, strotzen sie vor Anspielungen an das Judentum oder Hinweisen auf Kubricks Herkunft aus intellektuell-jüdischem New Yorker Milieu. Jener Mann, der fast jedem Filmgenre seinen eigenen Stempel aufgedrückt hat und dessen visuelle Innovationen bahnbrechend waren, wurde selten mit jüdischer Kultur und Religion in Verbindung gebracht – obwohl er viele jüdische Schauspielerinnen und Mitarbeiter engagiert hat. Wenig bewusst ist manchen Kubrickanern, dass der Meister sich ausgiebig mit Stoffen jüdischer Autoren und mit der Shoah beschäftigte (seinem unvollendeten Holocaust-Filmprojekt „The Aryan Papers“ etwa lag ein Roman von Louis Begley zugrunde, sein letzter Film Eyes Wide Shut war eine Schnitzler-Adaption), oder dass die Subordinationsstudie Full Metal Jacket auch als Holocaust-Paraphrase gelesen werden kann. Dabei schuf Kubrick mit Dr. Strangelove ohnedies eine der berühmtesten Nazi-Karikaturen der Filmgeschichte.

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Kubricks Werke zählen zu den häufigst interpretierten überhaupt, doch weil die zahlreichen jüdischen Referenzen und Subtexte in allen seinen Filmen zumeist nicht offensichtlich sind (etwa die kabbalistische Numerologie in 2001), finden sich in der bisherigen Kubrick-Forschung nur dürftige Hinweise darauf. Zur Korrektur solcher und ähnlich gelagerter Defizite haben das Institut für Judaistik und der Schwerpunkt Visuelle Zeit- und Kulturgeschichte am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien im Verein mit dem Jüdischen Filmclub Wien eine Konferenz organisiert. In sechs Vorträgen (in englischer Sprache) wird dem Umstand Rechnung getragen, dass in den jüdischen Studien in jüngster Zeit der Film verstärkt als gleichwertige Quelle gegenüber dem schriftlichen Text behandelt wird. Jüdische Quellen in Filmen werden kontextualisiert, zu Re-Interpretationen wird angeregt. U.a. wird sich Mitorganisator Klaus Davidowicz der Decodierung des Wiener Hollywood-Exilanten Fred Zinneman widmen – „High Noon in Vienna“ sozusagen.

Zum Abschluss wird im Metro Kinokulturhaus, in dem der Jüdische Filmclub seit 2017 regelmäßig Filme zeigt, ein preisgekrönter Debütfilm präsentiert: Para Aduma / Red Cow (Israel 2018) von Tsivia Barkai, eine biblisch anmutende Vater-Tochter-Geschichte. Dazu gibt es eine Einführung von Neta Ariel, Klaus Davidowicz und Frank Stern und anschließend ein Publikumsgespräch.

 

Conference: Film and Midrash
Institute for Jewish Studies, Visual and Cultural History – Institute for Contemporary History, Jewish Filmclub Vienna

December 10th-11th 2019
Venue: Aula Hof 1, Campus of the University of Vienna (Spitalgasse 2, 1090 Vienna)

https://judaistik.univie.ac.at/aktuelles/news/conference-film-and-midrash
http://juedischer-filmclub.at/2019/red-cow-para-aduma