Lamp

Filmstart

Lamb

| Jörg Schiffauer |
Ebenso phantastisches wie eigenwilliges Mystery-Drama aus Island.

Inmitten der wildromantischen Landschaft Islands betreiben Maria (zurückhaltend intensiv von Noomi Rapace gespielt) und Ingvar einen abgelegen Bauernhof samt Schafzucht. Das einsame, vom Rest der Welt ziemlich abgeschottete Leben kann zwar manchmal recht hart sein, doch die Schönheit der Natur, mit der das Paar mitsamt seinen Tieren im Einklang lebt, entschädigt für manch eine Schwierigkeit, die ein solches Dasein mit sich bringt. Als eines ihrer Schafe ein Lamm zur Welt bringt, nehmen die beiden das kleine Geschöpf ohne viele Worte zu machen zu sich ins Haus. Doch was auf den ersten Blick wie eine besonders fürsorgliche Maßnahme erscheint, entwickelt bald einen geradezu skurrilen Charakter: Denn Maria und Ingvar betrachten das Lamm als ihr eigenes Kind und behandeln es einfach wie menschlichen Nachwuchs.

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Wie ein bizarres Märchen setzt Valdimar Jóhannsson sein Spielfilmdebüt in Szene. In Lamb wird nämlich mit einer Selbstverständlichkeit das grundlegende Szenario etabliert, das seine phantastischen Anmutung zu einem nicht unwesentlichen Teil aus in der isländischen Kultur tief verwurzelten Mythologien schöpft. Aus diesem Fundus bedient sich Ko-Drehbuchautor Sjón, der sich als Schriftsteller mit seinen Romanen, Theaterstücken und Lyrik nicht nur in seiner isländischen Heimat einen Namen machen konnte und auch mit den Mechanismen der Popkultur – er verfasste etwa Songtexte für Björk – bestens vertraut ist. Somit erweist sich Lamb über weite Strecken als extravagantes, jedoch höchst stimmiges Stück Genrekino, das mit einem mythologischen Fundament über ein originelles Alleinstellungsmerkmal verfügt.

Doch Jóhannssons Inszenierung begnügt sich nicht damit, einen Plot zwischen idiosynkratischer Phantasie und skurriler Eigenwilligkeit zu entwerfen – was Lamb auf kongeniale Weise gelingt –, sondern etabliert zudem einen Subtext, der zunehmend verstörend wirkt. Denn besagte Selbstverständlichkeit, mit der das Lämmchen, das schon bald auf den Namen Ada hört, zum Familienmitglied wird – Regisseur Jóhannsson findet für diese Transformation einen einfachen, aber höchst effektiven Kunstgriff – erscheint nach und nach als Metapher auf in sich geschlossene Denksysteme, die sich gegen Einflüsse von außen abschotten und damit nach und nach zu Glaubensgefängnissen mutieren. Der Besuch von Ingvars Bruder auf dem einsamen Hof, der natürlich merkt, dass Ada ein Schäfchen und kein kleines Kind ist, macht die Resistenz solcher Systeme gegen Hinterfragungen deutlich; deren Brüchigkeit weiß Lamb auf seine eigenwillige Art zu demonstrieren.