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Leid und Herrlichkeit / Dolor y gloria

Filmkritik

Leid und Herrlichkeit

| Pamela Jahn |
Almodóvar wie gewohnt in Farbe, aber ohne neuen Glanz

Wenn einer auf sein Leben zurückschaut, geht das meist nicht schmerzlos über die Bühne. Auch nicht, oder vielleicht gerade nicht bei Pedro Almodóvar, dem großen Gefühlsfilmer der Gegenwart. Verführerisch, schrill, unmoralisch und stets melodramatisch war das von den hinreißendsten Frauenfiguren geprägte Kino des Spaniers in den achtziger und neunziger Jahren. Liebe, Leidenschaft und Sehnsucht waren seine Themen. Almodóvar galt nicht nur als der große Frauenversteher, sondern lange auch als Meister der Farben, denn niemand sonst wusste Emotionen so herrlich in Bilder aus rot, blau und violett zu hüllen wie er. Nur ist es jetzt schon eine ganze Weile her, dass ein Film des heute 69-Jährigen tatsächlich in der gewohnten Intensität bewegen und begeistern konnte. Zu redundant wurden die Muster, die Töne und die Formeln, mit denen er sein bittersüßes Tränenkino im Laufe der Jahre immer wieder aufs Neue zu beleben versuchte.

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Vermutlich ist es deshalb im Grunde kein schlechter Schachzug, jetzt im Alter den Fokus weg von den Frauen und auf das eigene Ich zu richten. Denn Dolor y gloria erzählt von eben jenem ehemals erfolgreichen Filmemacher, der zu lange schon in einer Schaffenskrise steckt. Antonio Banderas spielt das fiktionale Alter Ego des Regisseurs, der im Film Salvador Mallo heißt und unter Schmerzen aller Art leidet, die ihm den Schlaf und die Nerven rauben. Zu arbeiten erscheint ihm in diesem Zustand hoffnungslos. Stattdessen sinniert er vor sich hin, erinnert sich an seine Kindheit, seine Mutter (Penélope Cruz) und seinen Ruhm, den die spanische Kinemathek mit der Restaurierung seines letzten großen Films „Sabor“ von vor 30 Jahren jetzt zumindest ein Stück weit zu regenerieren versucht. Die Wiederaufführung des Klassikers bringt Salvador schließlich mit einem alten Freund, seinem damaligen Hauptdarsteller (Asier Etxeandia) zusammen. Und gemäß dem Œuvre Almodóvars tauchen bald auch die verflossenen Lieb- und Leidenschaften Mallos auf der Bildfläche auf.

Die bewusst sinnlich schwermütige Stimmung, die sich über den Film legt wie ein feiner Seidenschal, harmoniert gekonnt mit der exquisiten Farbdramaturgie, die Almodóvar nicht verlernt hat. Und auch der Pessimismus, die leise Resignation seiner letzten Arbeiten scheint in Dolor y gloria einer zarteren Melancholie zu weichen, die bisweilen erneut unter die Haut und zu Herzen zu gehen vermag. Aber es hilft alles nichts. Denn schwerer und schmerzlicher wiegt am Ende erneut das Gefühl, dass hier ein Regisseur am Werk ist, der kunstvoll Selbsttherapie betreibt in der Hoffnung, sich damit aus einer Ecke zu hieven, in die er sich ganz allein gedrückt hat und aus der es für ihn kein Entrinnen mehr zu geben scheint.