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Malcolm & Marie

Netflix Film

Malcolm & Marie

| Maxi Braun |
Der erste komplett unter Corona-Bedingungen realisierte Film überzeugt vor allem durch seine Ästhetik und durch große Schauspielkunst.

Zwei Menschen, eine Location, viele Konflikte. Das ist die Ausgangslage in Malcolm & Marie. Nach der erfolgreichen Premiere von Malcolms (John David Washington) neuem Film kehrt das Paar nach Hause zurück. Er ist aufgekratzt, tanzt mit einem Glas Whiskey durch das Wohnzimmer. Marie (Zendaya) schweigt, raucht und beginnt wortkarg, Käse-Makkaroni zu kochen. Er redet sich in Rage, monologisiert und merkt erst zehn Minuten später, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Die Nudeln sind gar, und die Situation eskaliert. In den kommenden eineinhalb Stunden dröseln Malcolm und Marie ihre Beziehung unerbittlich auf. Sind brutal ehrlich, offenbaren sich und verletzen einander, nähern sich an und stoßen sich wieder ab.

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Malcolm & Marie ist der erste komplett unter den Bedingungen der Corona-Pandemie realisierte Film. Regisseur Sam Levinson, Sohn des berühmten Hollywood-Veteranen Barry Levinson (Diner, Rain Man), schrieb das Drehbuch innerhalb von fünf Tagen, der Dreh fand unter Einhaltung strikter Auflagen zwei Wochen lang in Kalifornien statt. Die Crew war mit zwölf Personen so klein, dass John David Washington und Zendaya für Kostüm und Maske selbst verantwortlich waren. Die Dialoge verraten die kurze Entwicklungsphase des Skript. Themen wie politische Korrektheit, Sexismus und Rassismus in der Filmbranche werden angerissen, bleiben aber oberflächlich. Bespielsweise kritisiert Marie eine Nacktszene in Malcolms Film als überflüssigen male gaze, den eine Regisseurin nicht gewählt hätte. Selbst trägt sie dabei ein Feinrippunterhemd, unter dem sich deutlich ihre Brustwarzen abzeichnen. In vielen Szenen bleibt ähnlich vage, ob das selbstironisch gemeint oder bloß ein reflexives Feigenblatt ist.

Kameramann Marcell Rév setzt die preisgekrönte Architektur des Caterpillar House in Carmel, Kalifornien, mit wunderschön fotografierten Einstellungen in klassischem 35mm-Format schwarzweiß in Szene. Die großen Glasfronten, die geometrischen Linien der offenen Räume sowie das weitläufige Grundstück bieten die perfekte Location. Die Low-Key-Belichtung weckt Assoziationen zum Film Noir, was sich auch in der Narration spiegelt. Nie ist klar, ob die verbalen Dolchstöße irgendwann in einem realen Blutbad enden werden, und in Maries vernichtenden Blicken blitzt hier und da die Femme fatale auf. Die zweite Attraktion sind Marie und Malcolm selbst. Zendaya und John David Washington können in der emotionalen Ausnahmesituation des Streits alle Facetten auf engstem Raum und in kurzer Zeit ausspielen. Wut, Enttäuschung, Verletzlichkeit und Begierde verdichten sich zu einer überspitzten, aber universellen Parabel über die Liebe.

Wenn zwei sich streiten, freut sich sprichwörtlich der Dritte. Angesichts der Unerbittlichkeit, mit der die Liebenden hier kämpfen, kommt statt Freude eher Schaulust und Suspense auf, die in Kombination mit der darstellerischen Leistung und der beeindruckenden Bildästhetik ein fesselndes Kammerspiel ergeben.