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Maria Stuart, Königin von Schottland

Maria Stuart, Königin von Schottland

| Jörg Schiffauer |
Ein historischer Machtkampf als Stoff für wahrhaft großes Drama

Die Auseinandersetzungen zwischen der englischen Königin Elizabeth und ihrer schottischen Widersacherin Maria um Thron und damit Vorherrschaft auf der britischen Insel zählt zu den berühmtesten geschichtlichen Rivalitäten, deren Bekanntheit zu einem guten Teil auf diverse künstlerische Bearbeitungen zurückgeht – kein Geringerer als Friedrich Schiller nahm sich bereits 1800 mit seinem Klassiker „Maria Stuart“ des Zwistes der beiden Monarchinnen an.

Mit Josie Rourke, die auf eine Vielzahl von Bühneninszenierungen verweisen kann und seit 2012 als künstlerische Leiterin des in London beheimateten Donmar Warehouse Theatre fungiert, hat sich nun eine theatererfahrene Regisseurin der Tragödie um die schottische Herrscherin, für die die Fehde bekanntermaßen übel ausging, angenommen.

Ihre Inszenierung erweist sich zunächst als mit durchaus epischer Wucht  vorgetragenes Historiendrama, das sich entlang der markanten Stationen in der Vita der Titelheldin entfaltet. Die 1542 geborene Tochter des schottischen Königs James V. verbrachte bereits ihre Kindheit in Frankreich, heiratete mit 16 Jahren den dortigen Thronfolger, der jedoch bald nach Übernahme der Regentschaft starb. Die junge Witwe kehrte 1561 – hier greift Mary Queen of Scots ihre Geschichte auf – in ihre schottische Heimat und auf den dortigen Thron zurück. Doch die Katholikin Mary Stuart sieht sich einer prekären Situation gegenüber: Obwohl traditionell ebenfalls katholisch, erweist sich Schottland im Zug der Reformation als tief gespaltenes Land, insbesondere der protestantische Theologe John Knox (gespielt von David Tennant) entwickelt sich durch seine flammenden Predigten zu einem gefährlichen Widersacher der jungen Königin. Neben den Machtkämpfen, die Mary mit den Vertretern der schottischen Aristokratie ausfechten muss, eröffnet sich zudem eine noch viel größere Front. Die bestehenden Zweifel am Thronanspruch der englischen Königin Elizabeth, Tochter von Heinrich VIII. und Anne Boleyn, die sich vor allem unter ihren katholischen Untertanen breit machen, möchte Mary Stuart nutzen, um auch diese Krone zu erobern. Womit ein Kampf um die Macht beginnt, der entsprechend seinem Zeitkolorit mit strategischen Schachzügen, hinterhältigen Ränkespielen und handfest blutigen Schlachten alle Facetten einer solchen Auseinandersetzung beinhaltet.

Mary Queen of Scots rückt die beiden Antagonistinnen in das Zentrum und fokussiert dabei – wie die überwiegende Zahl der künstlerischen Adaptionen – auf die Titelfigur. Mit Saoirse Ronan, zweifellos eine der spannendsten und begabtesten Schauspielerinnen ihrer Generation, hat Josie Rourke eine ideale Besetzung, die es versteht, ihre Figur als vielschichtigen Charakter zu zeichnen. Ronans Darstellung von Mary changiert gekonnt zwischen unerbittlicher Kämpferin um die Macht und beinahe elfenhaft anmutender Erscheinung, die neben klugem Kalkül auch immer wieder Emotionen zulässt – ein innerer Widerspruch, den Mary nie ganz aufzulösen versteht und der schlussendlich auch ihren Untergang besiegeln wird.

In Charles Jarrots opulentem Historiendrama Mary, Queen of Scots (1971) werden Mary und Elizabeth (dort gespielt von Vanessa Redgrave und Glenda Jackson) im Verlauf ihres Konflikts zu modellhaften Figuren, die den Gegensatz zwischen erratischer Leidenschaft und Pragmatismus bis hin zur Selbstaufgabe geradezu sinnbildlich verkörpern. Auch Rourkes Regiekonzept versucht, das Grundsätzliche in dieser Auseinandersetzung zwischen den so unterschiedlichen Protagonistinnen hervorzustreichen, doch ihre Inszenierung legt sich dabei selbst etliche Steine in den Weg. Margot Robbie in der Rolle der Elizabeth, der kühlen Strategin der Macht, bekommt etwa wenig Gelegenheit, ihrem Charakter Nuancen zu verleihen. Mit einem von Pockennarben übersäten Gesicht und der grellen Schminke, die die Verunstaltung übertünchen soll, wirkt Elizabeth allein durch ihr grotesk anmutendes Erscheinungsbild eher wie der überdeutlich erkennbare Schurke aus einem Italo-Western als wie die Figur eines psychologischen Dramas, was nicht unbedingt dazu beiträgt, dass sich die Kontrahentinnen dramaturgisch auf Augenhöhe begegnen. Dass Regisseurin Rourke dem historischen Rahmen eine Übung in Sachen multikulturellem Casting aufzwängt, ist auch nicht hilfreich. So wird einer der führende Berater Elizabeth’ vom schwarzen Schauspieler Adrien Lester verkörpert, einige der Hofdamen sind asiatischer Herkunft. Man mag dass im Sinn von Rourkes Arbeit am Theater als Brechtsche Verfremdung ansehen, doch was auf der Bühne ein probates Stilmittel ist, wirkt im Rahmen einer filmischen Erzählung, die sich ansonsten eher konventioneller Muster bedient und damit versucht, die gezeigte Epoche historisch einigermaßen akkurat abzubilden, gezwungen und merkwürdig bizarr. Da wird Geschichte dann, frei nach Brecht, in der Tat zur Farce.