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Meryl Streep – „Ich interessiere mich nicht für Mode“

„Ich interessiere mich nicht für Mode“

| Thomas Abeltshauser |

Tragen Sie gerade Prada?
Nein, das ist von einer britischen Designerin, Alice Temperley aus London.

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Gibt es ein Vorbild für die Chefredakteurs-Zicke Miranda Priestly in The Devil Wears Prada?
Niemand bestimmtes. Der Film basiert auf dem Enthüllungsbuch einer Assistentin von Anna Wintour, der Chefredakteurin der amerikanischenVogue. Aber es hat mich nie gereizt, jemanden nachzuahmen. Ich hatte meine eigenen Erfahrungen mit Menschen in Machtpositionen, vor allem Männern, und habe mich daran orientiert. Ich kannte Anna Wintour nicht, habe nichts über sie recherchiert und kenne sie bis zum heutigen Tag nicht. Werde ich auch nie. Ich wollte keinen Dokumentarfilm drehen. Ich habe viel mehr Spaß, mir selbst etwas auszudenken. So zickig zu sein fiel mir nicht schwer, ich bin schließlich selbst permanent schlecht gelaunt.

Haben Sie sich von Ihren eigenen Bossen etwas abgeschaut für Ihre Rolle?
Es gibt kaum weibliche Chefs, die wirklich große Konzerne mit Millionenumsätzen leiten. Davon konnte ich mich also kaum inspirieren lassen. Die meisten meiner Bosse – Regisseure, Produzenten und Studiochefs – sind Männer. Und natürlich gibt es einen Unterschied, wie Männer und Frauen in Bezug auf Führungsqualitäten wahrgenommen werden. Es werden andere Standards angelegt, wenn Frauen geschäftliche Entscheidungen treffen. In großen Unternehmen muss man schnell entscheiden, weil Zeit Geld ist, da kann man auf keine Gefühle Rücksicht nehmen, was Frauen gerne zugeschrieben wird, während Männer kein Problem damit haben, Nein zu sagen. Und die Leute haben auch kein Problem, ein Nein von einem Mann zu akzeptieren. Bei Frauen ist es viel schwieriger. Im Film gibt es diese Szene in der Redaktionssitzung, in der jeder Mitarbeiter Ideen und Vorschläge für die neue Ausgabe des Magazins macht, und die Chefredakteurin schmettert alle Vorschläge ab: Nein. Nein. Nein. Wenn das ein Mann sagen würde, gäbe es schlicht keine Szene, weil es nichts Besonderes wäre.

Sie scheinen viel Vergnügen an der Rolle und an den bissigen Dialogen gehabt zu haben.
Ja, wobei der Spaß vor allem war, die Figur nach meinen Vorstellungen zu verändern und sie witziger zu gestalten. Sie war im Drehbuch nicht besonders witzig. Aber meine Miranda ist sich sehr bewusst, wenn sie etwas Witziges sagt. Zum Beispiel, wenn sie fragt: „Wo ist mein Kaffee? Ist sie gestorben?“ Im Script stand nur: „Wo ist mein Kaffee?“

Woher haben Sie das? Reden Sie mit Ihrer persönlichen Assistentin auch so?
Nein, meine persönliche Assistentin ist in Wahrheit mein Boss. Ich würde nie so mit ihr reden.

Im Film zerbricht Mirandas Ehe, weil sie so hart arbeitet. Sie selbst haben vier Kinder und sind seit fast 30 Jahren verheiratet. Wie haben Sie Karriere und Familie unter einen Hut gekriegt?
Ehe ist ein tagtäglicher Prüfstein. Das kennt doch jeder. Es ist immer ein Balanceakt, und jeder braucht einen gewissen Sinn für Humor. Aber ich habe es als Filmschauspielerin recht leicht, weil ich immer wieder monatelang arbeitslos bin, wie jeder Schauspieler, egal wie erfolgreich. Ich bin also mehr zu Hause als die meisten berufstätigen Frauen. Das ist das Äquivalent zur Gleitzeit, nehme ich an. Außer, dass ich, wenn ich arbeitslos bin, immer denke, dass ich nie wieder einen Job bekomme.

Das nehme ich Ihnen nicht ab.
Doch, ich habe absolut diese Paranoia. Jeder Schauspieler hat sie. Jeder!

Was machen Sie bei solchen Angstattacken? Putzen Sie das Haus?
Nein, nein. Ich habe mein Geld gespart und bin im grünen Bereich. Außerdem lebe ich relativ normal. Ich kaufe mir keine überirdisch teuren Klamotten.

Sie kriegen sie wahrscheinlich umsonst.
Würde ich. Aber ich nehme sie nicht an. Für die Premiere in Venedig habe ich einen Anzug von Valentino bekommen, aber den habe ich am nächsten Tag zurückgegeben. Ich leihe mir so etwas. Ich führe kein Leben, in dem solch ein Anzug nötig wäre. Außer zur Premiere von The Devil Wears Prada.

Glauben Sie, dass Sie dadurch wahrhaftiger bleiben?
Nein, es interessiert mich einfach nicht. Ich folge keiner Mode, was niemanden überraschen dürfte, der jemals ein Foto von mir gesehen hat. Ich gehe zu keinen Fashion-Shows, das hat auch dieser Film nicht geändert. Ich interessiere mich dafür genauso wenig übrigens wie für Fußball oder Schach. Das ist keine bewusste Entscheidung. Es ist einfach so.

Wofür interessieren Sie sich dann?
Oh, für so vieles. Musik, Kunst, Theater. Ich gehe wirklich oft ins Theater. Mein Mann dagegen geht nie. Aber ich versuche ihn nicht zu überreden. Und er hat auch kein Problem damit, dass ich mich nicht für Mode begeistere.

Sie haben zwei Oscars gewonnen und wurden weitere elf Mal nominiert – interessiert Sie das noch?
Ich halte einen gebührenden Abstand, aber eher aus Selbstschutz, um menschlich zu bleiben. Wenn ich in ganz unterschiedliche Rollen schlüpfen will, macht es keinen Sinn, wenn ich mit dem Label „Oscarpreisträgerin“ rumlaufe. Das hilft mir absolut nichts. Ich versuche, so wenig wie möglich daran zu denken.

Fällt Ihnen das leicht?
Ja, bis zum ersten Drehtag eines neuen Films und dann sehe ich irgendeine junge Schauspielerin, die voll Bewunderung mir gegenüber total eingeschüchtert ist. Und dann vergesse ich meinen Text, was dauernd passiert, und dann kommt dieser „So heiß ist die auch wieder nicht“-Blick von ihr…

Wo haben Sie Ihre Oscars?
Irgendwo weit oben auf einem Regal. Der eine hat sich mittlerweile grausig verfärbt.

Warum haben heterosexuelle Männer solche Angst vor starken Frauen während Schwule sie so verehren?
Ach, ich bin mir nicht sicher, dass Schwule das wirklich noch tun. Das haben sie getan, als wir noch nirgendwo angekommen waren, Frauen und Schwule. Die Welt verändert sich. Und es ist für alle ungemütlich, Frauen wie Männer. Aber man kann das nicht rückgängig machen, denke ich. So sehr es die Fundamentalisten in allen Löchern gerne hätten. Ich spreche von den religiösen Fundamentalisten, die davon schwafeln, dass der Mann Gott sei und dass Frauen zurück in die Dienerinnen-Rolle gehören.