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Miami Vice – Absoiut Miami

Absolut Miami

| Jörg Schiffauer |

Michael Mann, Produzent und Mastermind des legendären TV-Erfolgs „Miami Vice“, hat nun eine Kinoversion der erfolgreichen Serie fertig gestellt. Grund genug für eine Rückschau auf ein Fernsehformat, das immer schon Kinoqualitäten aufzuweisen hatte.

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Die von diversen Privatsendern losgetretene Retrowelle hat zuletzt einiges an populärkulturellen Erzeugnissen der 80er hervorgeschwemmt, das eigentlich lieber im hintersten Archiv der jüngeren Kulturgeschichte abgelegt bleiben sollte. Miami Vice mit solchen kurzlebigen Trends in Verbindung zu bringen, hieße allerdings, jene Fehleinschätzung weiterzutragen, welche die Serie schon am Höhepunkt ihres Erfolges stets begleitet hat. Die Beurteilung der Krimiserie rund um die beiden Cops Sonny Crockett (Don Johnson) und Ricardo Tubbs (Philip Michael Thomas) blieb dabei meist vordergründig an der schillernden Oberfläche hängen. Das führte häufig dazu, dass gerade jene in nicht unbeträchtlichem Ausmaß vorhandenen Qualitäten übersehen wurden, die man bei Fernsehproduktionen dieser Art zumindest in den 80er Jahren nur selten vorfand.

Hochglanz-Oberfläche

Das äußere Erscheinungsbild der Serie konnte dazu verleiten, das Image von zwar stilsicher inszenierten, jedoch weitgehend substanzlosen Bildern fortzuschreiben. Die meisten der zwischen 1984 bis 1989 produzierten 112 Episoden benützen in der Tat eine derartige Vielzahl von Luxuskonsumgütern als prominent ins Bild gerückte Dekorationen, dass der Begriff des Product Placement zeitweilig fast schon wie ein Euphemismus erscheint. Von protzigen Sportwagen, wie dem von Detective Crockett gefahrenen Ferrari Testarossa, über Armani-Anzüge, Ray-Ban-Sonnenbrillen bis hin zu automatischen Waffen von Steyr Mannlicher wurden Markenartikel der exquisiten Art zu stetig auftauchenden Elementen der Serie. Dass die zumeist undercover ermittelnde Polizeitruppe derartige Utensilien benötigte, um ihre Tarnung gegenüber den hochkalibrigen Gangstern, denen sie nachjagten, aufrechtzuerhalten, war dabei der nur dramaturgisch zu begründende Teil der Erklärung für das visuelle Hochglanz-Image der Serie.

Tatsächlich war die formale Gestaltung von Anfang an zentrales Element von Miami Vice, der im Rahmen der Konzeption der Serie wesentlich größere Bedeutung zukam, als dies bei Krimiserien üblicherweise der Fall war. Atmosphäre und zeitgeistig geprägte Grundstimmung wurden dadurch ganz wesentlich betont und trugen nicht unwesentlich zum Erfolg bei. Die starke Betonung von hedonistischen Tendenzen etwa spiegelte die überbordende Konsumorientierung, die in den von der Philosophie der Reagonomics geprägten 80ern vorherrschte, wider.

Die glitzernde Halb- und Unterwelt des Drogenmilieus, in die Crockett und sein Partner Tubbs eintauchen mussten, verwiesen auf die gesellschaftliche Relevanz, die dem Stoff-Problem in den 80ern zugewiesen wurde. Kokain war endgültig von einer elitären zur weit verbreiteten Modedroge geworden, der so genannte War on Drugs war zu einem wortreich propagierten, hochoffiziellen Teil der US-Politik geworden, während Drogenbossen wie Pablo Escobar, dem Kopf des berüchtigten kolumbianischen Medellinkartells, weltweite mediale Aufmerksamkeit zuteil wurde.

Ein anderes, wesentliches Element der formalen Gestaltung bestand in der Videoclip-Ästhetik, die in den 80er Jahren die Popkultur so nachhaltig zu prägen begann. Schnelle, harte Schnitte, rasante Bildfolgen, grell-intensives Licht oder Sequenzen in Zeitdehnung gehörten zu den stilbildenden Elementen der Serie. Songs von Größen der Rock- und Popszene wie Phil Collins, Peter Gabriel oder The Who waren, neben Jan Hammers genialem Titelmotiv, fester Bestandteil des Very-Eighties-Scores von Miami Vice.

Kinoqualitäten

Dass eine TV-Serie wie Miami Vice über exakt konzipierte formale Strukturen funktioniert, die auf mehreren Ebenen wirksam werden, überrascht weniger, zieht man in Betracht, wer dabei als kreativer Kopf und Mastermind fungierte. Michael Mann, der sich als Regisseur von Filmen wie Thief (1981), Manhunter (1986), The Last Of The Mohicans (1992), Heat (1995) und zuletzt Collateral (2004) einen Namen als Schöpfer anspruchsvollen Genrekinos verschaffen konnte, agierte als treibende Kraft hinter den Kulissen der Produktion. Das Kino des Michael Mann zeichnet sich durch eine genaue, bis ins kleinste Detail stimmige, mit beinahe mathematischer Präzision ablaufende Erzählweise aus. Manns Inszenierungen dienen bei aller kompositorischen Genauigkeit jedoch stets der narrativen Effizienz, ohne technokratischen Formalismus zum bloßen Selbstzweck werden zu lassen.

Das sind Qualitäten, die sich auch bei Miami Vice wieder finden, wobei sich die Serie überhaupt den Schemata üblicher Krimiserien, die ihre Protagonisten Folge für Folge bloß diverse Verbrechen aufklären ließen, zu entziehen versuchte. Etliche Miami-Vice-Episoden erscheinen vielmehr wie Kinofilme im 45-Minuten Format, paraphrasieren dabei klassische Filmgenres (den Western in El Viejo, der Alte), schlagen einen ironischen, komödiantischen Ton an (Phil’s Tricks), präsentieren sich als psychologisches Schuld-und-Sühne-Drama (Verspieltes Leben), als Psychogramm eines nervlich zerrütteten Polizisten (Gespensterjagd) oder als Tragödie mit irritierendem Unhappy End (Für die Strasse geboren). Und die Folge Schatten in der Nacht, die Sonny Crocketts Fähigkeit, die Verhaltensmuster eines Täters zu analysieren und zu antizipieren, in den Mittelpunkt stellt, weist über weite Strecken Ähnlichkeiten zu Michael Manns Manhunter auf. Zudem bricht Miami Vice immer wieder traditionelle, strikt linear-stringent ablaufende Erzählmuster auf, lässt dabei Raum für alternative narrative Strategien. In einigen Episoden spielt die eigentliche Krimihandlung nur eine untergeordnete Rolle, scheinbare Nebensächlichkeiten nehmen zusehends eine zentrale Rolle ein, die dabei entstehende mosaikartige Erzählstruktur nimmt Tendenzen vorweg, die, exemplarisch festgemacht an Filmen wie Pulp Fiction oder Boogie Nights, das Kino der 1990er entscheidend prägen sollten. Die Einflüsse der Videoclips brachten außerdem die Verwendung langer, mit Musik unterlegter Montagesequenzen, die eigentlich keinem streng narrativen Zweck dienten, mit sich, die die Atmosphäre der Serie jedoch entscheidend prägten. Ansonsten primär spielfilmerprobte Regisseure wie Abel Ferrara, David Anspaugh, Rob Cohen oder Bobby Roth nützten diesen gestalterischen Freiraum in den von ihnen inszenierten Miami-Vice-Episoden. So unterschiedlich die Regisseure waren, so stark differierten die Fokussierungen und Grundstimmungen in einzelnen Folgen – auch da hob sich Miami Vice von den üblichen Rahmenbedingungen ähnlicher Fernsehserien ab.

Tatort Miami

Die Stadt Miami mit ihren unterschiedlichsten Schauplätzen, von den im gleißenden Sonnenlicht liegenden Stränden samt dazugehörigen Luxusvillen bis hin zu den ärmlichen, abgewohnten Außenbezirken, stellt ein zentrales Motiv im Erscheinungsbild von Miami Vice dar. Auch hier dürfte sich Manns Einfluss bemerkbar gemacht haben, sind doch Bilder urbaner Landschaften, wie sie in US-amerikanischen Metropolen zu finden sind, ein immer wiederkehrendes, dramaturgisch wichtiges Element in etlichen seiner Regiearbeiten. Zudem drängte sich Miami als Schauplatz für eine derartige Serie geradezu auf, galt die Stadt doch in den 80ern als Hauptumschlagplatz für Drogen aus Lateinamerika und Tummelplatz der international operierenden Verbrechersyndikate. Miami wies zu jener Zeit eine der höchsten Verbrechensraten der Vereinigten Staaten auf. Wie schlimm das Image der Stadt von Gewalt und Kriminalität geprägt war, spiegelt sich neben Miami Vice etwa auch in Brian De Palmas Scarface (1983) wider. Um diesem schlechten Image (und vor allem den realen Kriminalstatistiken) entgegenzuwirken, hat man sich von Seiten der Stadtverwaltung in jüngster Vergangenheit zu einer „Zero Tolerance“-Politik nach New Yorker Vorbild entschlossen. Verstärkte Polizeipräsenz und private Sicherheitstrupps sorgen zumindest in Downtown Miami für rigoros durchgesetzte Sicherheit. Die Rahmenbedingungen für die Einsätze der Detectives Crockett (Colin Farrell) und Tubbs (Jamie Foxx) scheinen sich für die Neuverfilmung ein wenig geändert zu haben, bleibt nur abzuwarten, ob die beiden trotzdem die Popularität ihrer Vorgänger zu erreichen vermögen.

 

Die TV-Serie auf DVD

Miami Vice – Season 1 (USA, 1984)


6 DVDs, 1068 Minuten
Bildformat Vollbild (1.33:1)
Tonformat Dolby Digital 2.0 (Mono)
Deutsch, Englisch

 

Miami Vice – Season 2 (USA, 1985)


6 DVDs, 1035 Minuten (erscheint am 10. August)
Bildformat Vollbild (1.33:1)
Tonformat Dolby Digital 5.1 Englisch, Dolby Digital 2.0 (Mono) Deutsch
Mit Don Johnson, Philip Michael Thomas,
Edward James Olmos, Saundra Santiago, Michael Talbot
Universal Pictures