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Motherless Brooklyn

Filmkritik

Motherless Brooklyn

| Marietta Steinhart |
Edward Norton zieht seinen Filzhut vor dem Film noir.

Es ist zwanzig Jahre her, dass Jonathan Lethem seinen Krimi „Motherless Brooklyn“ veröffentlichte, und Edward Norton hat fast genauso lange versucht, den Roman in einen Film zu verwandeln. Er hat es geschafft – und das Ergebnis sieht aus wie eine liebevolle Hommage an den Film noir, fast wie ein Stück Fan-Fiction.

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Norton, der als Held, Regisseur und Drehbuchautor fungiert, hat die neunziger Jahre des Romans auf 1957 (das Jahr von Alexander Mackendricks Sweet Smell of Success) zurückverlegt. In einem Ensemble, zu dem auch Willem Dafoe, Cherry Jones und Alec Baldwin gehören, spielt er den New Yorker Privatdetektiv Lionel Essrog, der am Tourette-Syndrom leidet, was bedeutet, dass er zu unfreiwilligen Ticks neigt, die dazu führen, dass er stottert, zuckt und mit Wörtern wie „Titten“ herausplatzt. Aber es ist auch seine Geheimwaffe. Fremde, die nicht wissen, wie gut sein Verstand darin ist, die Rätsel zu lösen, die ihm die Welt stellt, unterschätzen ihn.

Wenn also sein Chef und Mentor (ein kurzer Auftritt von Bruce Willis) ermordet wird, begibt er sich auf eine lange, dunkle
Chinatown-artige Odyssee, die ihn mit einer jungen afroamerikanischen Anwältin namens Laura (eine wunderbare Gugu Mbatha-Raw) und New Yorks korruptem Stadtplaner Moses Randolph (Baldwin) verbindet. Es ist kein subtil getarntes Pseudonym für Robert Moses, den „Baumeister“ des modernen New York City, der Arme und Minderheiten aus ganzen Stadtteilen vertrieb, um neuen Brücken und Autobahnen Platz zu schaffen. Seine Art zu bauen, war eine Form von Rassismus, und Baldwin, der bekannt ist für seine Donald-Trump-Imitationen, kann diese Art von Magnaten natürlich im Schlaf spielen.

Dennoch ist es Nortons eigene Leistung, die in Motherless Brooklyn heraussticht. Er ist immer ein gekrönter Schauspieler, ob als egomanischer Broadway-Star in Birdman, als stotternder Schizophrener in Primal Fear oder ein Insider, der in The Score Autismus vortäuscht. Die Rolle des Lionel Essrog ist im Grunde die Vollendung seines Talents. Eine der besten Szenen des Films findet in einem Jazzclub statt, in dem die Trompete eines Jazzmusikers (Michael K. Williams) perfekt zu den nervösen Rhythmen des Detektivs passt.

Als Regisseur spielt Norton eher auf den Tropen des Genres herum, als dass er sie erweitert. Es sieht schön aus, gefilmt von Dick Pope (Mr. Turner) – wie ein Gemälde des großen Malers Edward Hopper. In diesem Sinne ist es ein wenig altmodisch, aber Motherless Brooklyn findet im Kopf eines der ungewöhnlichsten Detektive statt, die wir je gesehen haben. Insofern: Chapeau.