Jordan Peeles dritter Film ist Blockbuster und ironische Befragung des kulturindustriellen Spektakels in einem. Ein brillant verspieltes Kino-Ereignis.
Nachdem der alte Haywood plötzlich und denkbar skurril verstirbt – eine Münze durchschlägt sein Auge, als er nach oben blickt –, übernehmen dessen Sohn und Tochter, das ungleiche Geschwisterpaar Otis „OJ“ (Daniel Kaluuya) und Emerald „Em“ (Keke Palmer), die Familien-Ranch am Rande von Hollywood. Dort werden Pferde für den Einsatz in TV- und Filmproduktionen trainiert, und es handelt sich um den einzigen derartigen Betrieb, der in afroamerikanischem Besitz ist. Em referiert diese Tatsache gegenüber einer desinteressierten Filmcrew, wobei wir auch erfahren, dass die Haywoods in einer verwandtschaftlichen Linie mit jenem Reiter stehen, der in Eadweard Muybridges Horse in Motion (1878) zu sehen ist – einer Pionierarbeit des frühen Bewegtbildes. Diese schöne historische Einschreibung rekurriert nicht nur auf den Beginn der Filmgeschichte, sondern gibt zudem den namenlos gebliebenen Akteuren vor der Kamera – dem schwarzen Mann und dem Pferd – eine Geschichte. Die Haywood-Ranch ist der Ort, wo diese unterschlagene Geschichte ihren Lauf genommen hat; der Ort einer schwarzen Familienhistorie und zugleich ein Ort, wo die unsichtbaren Voraussetzungen für spektakuläre Kino- und TV-Bilder produziert werden. Als die Geschwister meinen, UFOs über ihrem Grundstück gesichtet zu haben, wollen sie selbst Bilder produzieren und daraus Geld machen. Schließlich steht es seit dem Ableben des Vaters schlecht mit Aufträgen.
Mit dieser klugen narrativen Konstellation legt Jordan Peeles dritter Spielfilm – nach der brillanten Rassismus-Satire im Horrorgewand Get Out (2017) und dem Home-Invasion-Horrorthriller Us (2019) – los, um sich zu einem großen Blockbuster in den Spuren von Steven Spielberg zu entwickeln. Denn die Reminiszenzen an Unheimliche Begegnung der dritten Art (1977), E.T. (1982) und auch Der Weiße Hai (1975) sind unübersehbar. Verstärkt wird diese nie nostalgische Hommage an das Blockbuster-Kino der siebziger und achtziger. Jahre durch die wunderbar ruhige und raumlassende Kinematografie von Hoyte van Hoytema (Dunkirk, Tenet), und den orchestralen, sehr hollywoodesken Score von Peeles Stammkomponisten Michael Abels. Mit diesen formal erprobten Mitteln verschaltet Nope spielerisch Elemente von Science-Fiction, Horror und Western. Aber Peeles Inszenierung steuert das Konventionelle keineswegs in die langweiligen Wiederholungsschleifen des gegenwärtigen Blockbusterkinos. Ganz im Gegenteil erweist er sich erneut als kritischer – und brillant ironischer – Kino-Denker, der es trotz der hohen Komplexität seiner Fragen schafft, die Spannung ungebrochen zu halten.
Und diese Fragen drehen sich einerseits um das Alien (das Andere, Fremde) und andererseits um das kulturindustrielle Spektakel, vor dem Hintergrund von dessen Produktions-, aber auch Bildergeschichte. Der zentrale narrative Seitenarm illustriert das: In einer Rückblende in die späten neunziger Jahre erfahren wir von dem Schimpansen und Sitcom-Star Gordy. Als ein Luftballon am Set platzt wird der Affe, der zum Gaudium des Publikums einen Partyhut und bunte Kleidung trägt, plötzlich wieder aggressiv und wild. Das Domestizierte wird wieder fremd (also alien). Wie ein Monolith steht diese böse Szene zunächst im Film und verstärkt dadurch ihren Effekt: den plötzlichen Einbruch des Kreatürlichen. Der überlebende Kinderstar Ricky „Jupe“ Park (Steven Yeun) wird später zum Leiter eines trashigen Themenparks in der Nähe der Haywood-Ranch. Er beutet seine eigene traumatische Geschichte aus und überführt sie wiederum in jenes Spektakel, das der blutrünstige und verwirrte Affe so jäh unterbrochen hat. Jupes Umgang mit dem Auftauchen des rätselhaften UFO-Phänomens in der kargen kalifornischen Landschaft wird zu einer bizarren Wiederholung der Gordy-Situation führen.
Und um eben diesen Zusammenhang geht es in Nope: Das kulturindustrielle Spektakel möchte das Alien konsumierbar machen, das wirklich Fremde entzieht sich aber; es bleibt ein inkommensurabler Schrecken, ein Einbruch jenseits des warenförmig Fassbaren. Dies wiederum macht es für den spektakulären Entertainment-Kapitalismus zum unwiderstehlichen Reiz. Eine toxische Schleife, deren Vehikel der Blick ist – das sensationslüsterne oder schockierte Schauen. Und die Frage nach dem Zusammenhang von dem Blick, dem Fremden und der Einverleibung bzw. Aneignung zieht sich in immer neuen Variationen durch den gesamten Film und bestimmt dessen irrwitzige Wendungen und großartigen Bildkompositionen. Peele schafft es dabei immer wieder auch, das kulturindustrielle Bewegungsgesetz von Ausschlachtung und Wiederholung wunderbar ironisch zu visualisieren – Stichwort: Plastik und heiße Luft.
Es ist ein hoffnungsvolles Verdienst von Peele, dieses kritische Bilder-Denken niemals auf Kosten der Figurenzeichnung überzustrapazieren. Ganz im Gegenteil sind auch die Nebenfiguren, wie der verschwörungsfantastische Technik-Geek Angel (Brandon Perea) oder der genialische Kameramann Antlers Holst (Michael Wincott), durchwegs plastisch. Letzterer funktioniert wunderbar auch als Parodie auf den obsessiven Künstlertypus à la Werner Herzog, womit dem Zugriff auf das Fremde eine weitere Facette hinzugefügt wird.
Nope zieht die Spektakel-Ware und das Kreatürliche in der Alien-Metapher zusammen, eröffnet damit einen weiten Assoziations- und Denkraum, bleibt dabei aber trotz aller allegorischen Aufladungen selbst durchwegs als spektakuläres Kino genießbar. Der Film ist ein wunderbares Schelmenstück voll Ironie, aber auch voll kompromissloser Bilder, die tatsächlich in ein Nachdenken über das Gesehene stoßen – und das eben mit der Wucht des Spektakels selbst.