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Filmkritik

Ohne Bekenntnis

| Andreas Ungerböck |
Sandeep Kumar vermittelt Einblicke in die wenig bekannte Welt der Hindus in Österreich.

Sandeep Kumar, österreichischer Filmemacher mit indischen Wurzeln, hat den Titel seines Dokumentarfilms bewusst doppeldeutig gehalten. Denn natürlich sind die wenigsten der rund 30.000 in Österreich lebenden Hindus „ohne Bekenntnis“. So steht es nur in ihren diversen österreichischen Papieren, denn – man höre und staune – die drittgrößte Religionsgemeinschaft der Welt ist in der Alpenrepublik zwar „registriert“, wie das so schön heißt, aber nicht „staatlich anerkannt“.

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Diese abstruse Tatsache ist zwar der Aufhänger für Kumars Dokumentarfilm, den er aus rund 20 Stunden Material destilliert und den er (selbstverständlich, ist man versucht zu sagen) ohne öffentliche Fördermittel gedreht hat, aber nicht der alleinige Gegenstand der Betrachtung. Die Hindus in Österreich haben sich an die Umstände angepasst und praktizieren ihre Religion u.a. in einem kleinen Kellerlokal in der Lammgasse in Wien-Josefstadt. Mittels privater Initiativen und dank des engagierten Einsatzes von Freiwilligen (etwa eines indischstämmigen Schlossers, dessen Deutsch eine herrliche österreichische Dialektfärbung hat) entstand ein hinduistisches Zentrum in Traiskirchen, und im Grunde, so der Philosoph P.L. Aneja, einer der Protagonisten des Films, der so manche erhellende Auskunft zu Geschichte und Gegenwart der Hindu-Religion gibt, sei der Besuch eines Gotteshauses für eine/n Hindu nicht unbedingt notwendig, denn der eigene Körper sei der „eigentliche Tempel“.

Dennoch dienen religiöse Zusammenkünfte natürlich auch als soziale Treffpunkt und als Gelegenheit zum geselligen Austausch. Man isst und trinkt gemeinsam und bespricht allgemeine Fragen. Im Zentrum des Films stehen neben Dr. Aneja zwei Frauen und ein Mann, deren deutlich unterschiedliche Zugänge zum Glauben eine Ahnung davon geben, wie groß die spirituelle Bandbreite einer Religion ist, in der es mehr als eine Million Göttinnen und Götter gibt. Apropos Götter: Das größte Verdienst des Hinduismus, so Dr. Aneja, sei, alle anderen Religionen als gleichwertig anzuerkennen, also nicht zu „tolerieren“, sondern tatsächlich als gültige Wege zum gleichen Ziel zu akzeptieren, das letztlich allen Relgionen gemeinsam sei.

Über alle religiösen Fragen hinaus bietet Ohne Bekenntnis aber auch weitere Einblicke in eine Welt, die den meisten Zuschauerinnen und Zuschauern fremd sein dürfte. Dazu gehören auch Themen wie das indische Kastenwesen, die schwierige Rolle der Frauen in Religion und Gesellschaft, die Integration und der Umgang der Generationen miteinander. Wie in den meisten asiatischen Ländern ist die Familie auch hier ein ganz wesentlicher Faktor, viel mehr als in den modernen westlichen Gesellschaften. So entsteht ein buntes, facettenreiches Bild einer an sich gut integrierten Bevölkerungsgruppe, die sich – wie man aus zahlreichen Statements heraushören kann – eine größere Akzeptanz seitens der österreichischen Behörden wünschen würde. Ihre Religion und ihre lange gehegten Traditionen pflegen sie dennoch mit großer Würde und Selbstbewusstsein.