(K)eine Frage des Alters: Edgar Honetschlägers Porträt einer ungewöhnlichen Beziehung

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Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man meinen, Omsch und Edgar verbinde mehr als Freundschaft. Wobei der Begriff Freundschaft dann doch wieder reichlich tiefgestapelt ist. So wie die beiden da stehen am Herd und einander – auf gut Wienerisch – die Wuchteln zuschieben. Da diskutieren zwei auf der gleichen Wellenlänge, oder, wie die Omsch sagt: „welche, die geistig und seelisch gleich“ sind. Das Einzigartige daran: Zwischen Omsch, die eigentlich Pauline Schürz heißt, und Edgar stehen 56 Lebensjahre. 2009 stirbt die Omsch (das Wort ist eine liebevolle Verklausulierung für „Oma“) im 102. Lebensjahr.
Regisseur Edgar Honetschläger hat die innige Verbindung zu seiner ehemaligen Nachbarin in einer Art Biopic verewigt. Im Zentrum seiner Arbeit stehen Begegnungen aus den letzten neun Jahren, als die beiden Tür an Tür in einem Wiener Zinshaus wohnten. Wobei Honetschläger keine Chronologie des geistigen und körperlichen Verfalls umsetzt, wie es Michael Haneke in Amour anlegt: Dreh- und Angelpunkt des Films sind die intensiven Gespräche zweier Lebensmenschen, kontrastiert mit weitschweifigen Einstellungen der häuslichen Umgebung und (zum Teil fremden) Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Es ist eine Gemeinschaft abseits der Norm, in der beide – unsentimental ausgedrückt – voneinander profitieren.
Wobei zunächst Lernprozesse auf beiden Seiten stattfinden müssen: Für die Omsch ist ein durchgeplantes Leben mit langen Auslandsaufenthalten, wie es der Filmemacher führt, eine inakzeptable Zumutung, der sie sich bisweilen trotzig widersetzt; Edgar wiederum muss erst Verständnis dafür entwickeln, dass von einem Tag auf den anderen das Überqueren einer Straße zur körperlichen Herausforderung werden kann. Und wenn sich die Türe zu Omschs Wohnung einmal nicht öffnet, dann wird klar, dass der Tod unweigerlich zum Begleiter seiner Gedanken geworden ist.
Doch die intimsten Momente erzeugt Honetschläger durch die Briefwechseln der beiden Protagonisten: Der wechselseitige Gedankenaustausch mutiert auf Papier zu einem lyrischen Eingeständnis der Emotionen, wo auch Angst und Suizidgedanken aufs Tapet gebracht werden. Und selbst wenn die rüstige Rentnerin aus der Erkenntnis heraus, physisch nicht mehr mithalten zu können, melancholisch wird, so ist der Film doch getragen von einem Optimismus, der Schlagwörter wie Pensionsschock in die Boulevard-Schlagzeilen verdrängt.
Omsch ist, wie der Regisseur betont, „ein Plädoyer für das hohe Alter“. Und doch viel mehr. Am Ende kennen wir einen Menschen, der kurz vor seinem Lebensende „Danke“ sagt. Und das aus tiefster Überzeugung.