ray Filmmagazin » Oscars 2021 – Things Change

Oscars 2021

Things Change

| Maxi Braun |
Die Oscar-Nominierungen wurden bekanntgegeben. Die 93. Academy Awards versprechen so divers wie nie zu werden – aber das ist noch lange nicht genug.

Letztes Jahr um diese Zeit war die Oscar-Verleihung schon Schnee von gestern. Wurde gerade noch der südkoreanische Regisseur Bong Joon Ho für Parasite gefeiert, erschien mit Sars COV-2 ein ganz anderer Protagonist auf der Bildfläche. Die Pandemie, ihre Auswirkungen auf die weltweite Film- und Kinolandschaft und der Siegeszug der Streamingdienste sind aber nicht der einzige Grund, warum die Verleihung der 93. Academy Awards am 25. April 2021 in Los Angeles etwas besonderes werden könnte. Denn mit neun nominierten Persons of Color in den Darstellerkategorien, insgesamt 70 nominierten Frauen und insgesamt mehr Filmschaffenden mit Migrationshintergrund wirkt die Liste so divers wie nie zuvor.

Erstmals haben gleich zwei Frauen die Chance auf einen Oscar für die Beste Regie. Neben David Fincher (Mank, Spitzenreiter mit zehn Nominierungen), Thomas Vinterberg (Rausch) und Lee Isaac Chung (Minari) gehen die Regisseurinnen Emerald Fennell (Promising Young Woman) und Chloé Zhao (Nomadland) ins Rennen um den Regie-Oscar. Nomadland ist außerdem in fünf, Promising Young Woman in vier weiteren Kategorien nominiert, beide auch als Bester Film.

Die Kategorie Bester Film – in der bis auf Rausch auch alle Nominierten aus der Kategorie Beste Regie wieder auftauchen – spiegelt diese Diversität thematisch noch deutlicher wider. Dabei sind weder David Finchers selbstreflexive Hollywood-Ode mit Gary Oldman in der Rolle des Autors Herman J. Mankiewicz, noch Aaron Sorkins politikgeschichtliches Justizdrama The Trial of the Chicago 7 (beide Netflix) große Überraschungen. Als gesetzt galt auch Shaka Kings Filmbiografie Judas and the Black Messiah. Vor dem Hintergrund der Black Lives Matter-Proteste und der Ermordung George Floyds im vergangenen Jahr entfaltet die Geschichte um den von Polizei und FBI 1969 getöteten Bürgerrechtler und Black Panther-Aktivisten Fred Hampton eine aktuelle Dringlichkeit.

Das ur-amerikanische Thema Immigration hingegen spielte in der Kategorie Bester Film bisher keine Rolle, was die Nominierung von Lee Isaac Chungs autobiografisch gefärbtem Werk Minari über eine südkoreanische Familie, die in Arkansas eine Farm aufbauen will, außergewöhnlich macht. Auch Krankheit und Behinderung sind diesmal vertreten. The Father von Florian Zeller mit Anthony Hopkins und Olivia Coleman (beide für die beste Darstellerung nominiert) stellt Demenz in den Mittelpunkt, während Darius Mader in Sound of Metal einen Schlagzeuger porträtiert, der allmählich sein Gehör verliert. Der britisch-pakistanische Schauspieler Riz Ahmed ist für dessen Darstellung und als erster Muslim überhaupt als Best Actor nominiert. Altersarmut zwingt schließlich die von Frances McDormand gespielte Figur in Chloé Zhaos Neo-Western Nomadland im Zuge der Wirtschaftskrise als 60-Jährige zur einem Neuanfang als Wanderarbeiterin. In Promising Young Woman übt eine zuckersüße Carey Mulligan eiskalte Rache an übergriffigen Männern. Emerald Fennell, Showrunnerin der zweiten Staffel der BBC-Serie Killing Eve, schafft so einen quietschbunten Rachethriller rund um sexualisierte Gewalt.

Seit #OscarsSoWhite 2015 / 2016, Frances McDormands Inclusion Rider-Rede 2018 und dem noch 2020 eklatanten Mangel an weiblichen Nominierten hat sich also einiges getan. Grund dafür dürften weniger die Veränderungen innerhalb der Academy of Motion Picture Arts and Sciences (AMPAS) sein, die die Preisträgerinnen und Preisträger bestimmt. Der Anteil weiblicher Mitglieder stiegt von 2015 bis 2020 von 19 Prozent auf 33 Prozent, unterrepräsentierte ethnische Gruppen erlebten einen Zuwachs von 10 auf 19 Prozent. Das Durchschnittsalter liegt weiterhin bei 65. Wer einen Oscar erhält, bestimmen also mehrheitlich noch immer alte, weiße Männer.

Öffentlicher Druck scheint besser zu wirken, aber von wirklicher Diversität, die auch ein Abbild der Gesellschaft ist, sind die Academy Awards noch weit entfernt. Dazu reicht allein der Blick auf die Genderparität. Während wir uns mit und für Fenenll und Zhao freuen, steht Frances McDormand noch exemplarisch für zu wenige komplexe Frauenfiguren jenseits der 50. In der der Rubrik Best Cinematography findet sich wie so oft keine einzige Bildgestalterin, und Kathryn Biegelow bleibt weiterhin die einzige Frau, die jemals den Oscar für den Besten Film oder als Beste Regisseurin (2009, The Hurt Locker) gewann. Zumindest das könnte sich am 25. April ändern.

www.oscars.org