Radical Film

Filmstart

Radical

| Pamela Jahn |
Wohlfühldrama mit Bildungsanspruch

„Was wollt ihr lernen?“ Wie sehr hätte man sich diese Frage als Kind gewünscht. Die Schüler der sechsten Klasse an der José-Urbina-Lopez-Grundschule in Matamoros, Mexiko, reagieren darauf erst mal verwirrt. Bisher basierte ihr Unterricht auf Gehorsam und Disziplin.

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Doch ihr neuer Lehrer ist anders drauf: Sergio Juarez Correa (Eugenio Derbez) setzt auf spielerisches Lernen und einen Unterrichtsplan, der die Kinder mit Ideen, Philosophie und kritischem Denken beschäftigen soll. Dafür krempelt er gleich am ersten Tag das ganze Klassenzimmer um, erfindet Rollenspiele und erzählt Geschichten. Falsche Antworten gibt es bei ihm nicht.

Auch Noten findet Sergio überbewertet. Bei ihm erhält jeder eine Eins. Seine einzige Bedingung: Auf’s Mitmachen kommt es an. Er will die Kinder nicht nur unterrichten; er will sie begeistern, inspirieren und ihnen Mut machen, dass es für sie eine Zukunft gibt. So viel Idealismus verlangt enorme Leidenschaft und Energie, die Eugenio Derbez, primär eigentlich Komödiant, in jeder Szene versprüht.  Doch die Formel, nach der Christopher Zallas Wohlfühldrama funktioniert, würde nicht aufgehen, wenn Sergios radikale Methode nicht auch auf Widerstand stoßen würde. Das Kollegium hält ihn für einen Spinner, allen voran der abgehalfterte Schuldirektor Chucho (Daniel Haddad), der längst jede Hoffnung ins Bildungssystem verloren zu haben scheint.

„Willst du aus Büchern lernen oder vom Leben?“, fragt einer der jungen Gangster im Ort den kleinen Nico (Danilo Guardiola), der wie sein älterer Bruder eine Karriere auf der Straße anstrebt, weil er sonst keine Option sieht. Die mexikanische Grenzstadt, in der sie aufwachsen, ist ein Moloch, in dem Gewalt, Armut und Drogenkartelle regieren. Nico ist eines der Kinder, deren Geschichten Zalla geschickt in die Handlung verwebt, um auf die Umstände hinzuweisen, in denen Sergio seine Schüler zu bilden versucht. Zu ihnen gehören auch Lupe (Mía Fernanda Solis), die für ihre Geschwister sorgt, während ihre Mutter Nachtschichten schiebt, und Paloma (Jennifer Trejo), ein Mathegenie, die mit ihrem kranken Vater auf der städtischen Müllkippe lebt und davon träumt, Astronautin zu werden.

Wenn es nach Sergio geht, können seine Schüler alles schaffen. Er will sich nicht damit abfinden, dass die Realität anders aussieht. Deshalb kämpft er für die Kinder, für ein Recht auf Bildung, auch für sich. In Zeiten von Lehrermangel und alarmierenden PISA-Ergebnissen wirkt Zallas Film dringender denn je.