Der österreichische Weltvertrieb und Verleih filmdelights ist zehn Jahre alt. Ein Gespräch mit der Gründerin und Geschäftsführerin Christa Auderlitzky über ein schwieriges Jahr, VOD und Amazon als Alternative und über den Educational-Bereich als interessante Sparte.
2020 war sicherlich ein schwieriges Jubiläumsjahr. Wie kann man sich als Verleih und Vertrieb positionieren, wenn der Kinobetrieb weitgehend wegbricht?
Christa Auderlitzky: Wir haben letztes Jahr als Verleih Die Dohnal von Sabine Derflinger herausgebracht und damit viel Glück gehabt. Das war ein Publikumserfolg und hat uns durch das schwierige Jahr getragen. Der Film hatte am 14. Februar 2020 Kinostart, einen Monat später kam der Lockdown. Innerhalb dieser kurzen Zeit hatten wir 37.500 Besucher, das ist exzeptionell für einen österreichischen Dokumentarfilm. Ein Film, der gute Mundpropaganda hatte und schon bei der Viennale der Film war, der am zweitschnellsten ausverkauft war. Aufgrund der großen Nachfrage haben wir Die Dohnal im ersten Lockdown bei „Kino VOD Club“ online gezeigt, da gab es innerhalb dieser einen Woche 4.000 Zugriffe. Für VOD in Österreich ist das außergewöhnlich. Er lief dann auch in vielen Sommerkinos. Es gab also schon einige sehr erfreuliche Momente, etwa auch, dass zwei unserer Filme trotz der Absage der Diagonale Preise erhielten: Die Dohnal erhielt den Preis für den besten Dokumentarfilm und The Trouble with Being Born von Sandra Wollner den Preis für den besten Spielfilm. Das sind schöne Erfolge in der Lockdown-Misere.
Kann man für so eine Situation rasch ein neues Geschäftsmodell entwickeln, oder wie kann man die Ausfälle kompensieren?
Christa Auderlitzky: Wir haben schon während des ersten Lockdowns sehr schnell ein Modell entwickelt, wie man Schulen Filme online anbieten kann. Da konnten schon bestehende Kinobuchungen auf Onlinebuchungen umbestellt werden, zum Teil in Anwesenheit der Filmschaffenden. Das funktionierte gut, aber hat natürlich die Zahlen im Kino nicht ersetzt. Die Dohnal kam dann im Herbst auch bei der Edition „Der österreichische Film“ heraus und war gleich vergriffen. Ansonsten haben wir vergleichsweise wenig im vergangenen Jahr herausgebracht, zum Beispiel Das Fieber von Katharina Weingartner. Oder This Land Is My Land von Susanne Brandstätter, der kam im September in die Kinos. Ein Film der sich mit Trump-Wählern und der Motivation seiner Anhänger beschäftigt. Da sind viele Kinobetreiber aufgesprungen und haben ihn in der Zeit vor den US-Wahlen programmiert. Zugleich haben wir einen VOD-Release ein Monat vor den Wahlen international gemacht. Das heißt, er war auf Amazon Amerika verfügbar und auf vielen Plattformen in verschiedensten Ländern.
Wo meldet man sich, wenn man Amazon einen Film anbieten möchte?
Christa Auderlitzky: Das ist gar nicht so einfach. Man kann auf Amazon zwar schon selbst Filme draufstellen, aber die Fragen rundherum sind recht kompliziert. Wir setzen aber auf verschiedene Kanäle, haben zum Beispiel auch auf „Vimeo on Demand“ einen eigenen Channel, über den mehr Geld an uns zurückfließt. Aber Amazon hat natürlich eine besondere Breitenwirksamkeit, die man für bestimmte Filme braucht.
Hat Amazon besondere Vorgaben, zum Beispiel dass die Filme exklusiv zu sehen sein müssen?
Christa Auderlitzky: Nein, dazu gibt es keine Vorgaben, das ist durchaus mit anderen Plattformen vergleichbar. Bei Netflix wäre das der Fall, ein Film von uns war im Gespräch, aber das wurde letztlich nichts. Netflix produziert ja vor allem selbst und kauft nicht so viele Produktionen ein.
Die Verwertung von Film über Online-Plattformen ist ja eigentlich ein weiterer Verwertungsschritt nach dem Kinobetrieb oder eine Ergänzung. Wie sehen die Szenarien in dieser Ungewissheit aus?
Christa Auderlitzky: Wir rechnen natürlich damit, dass die Kinos im Frühling wieder aufsperren und haben unsere Filmstarts geplant. Glory to the Queen ist ein Film über vier georgische Schachweltmeisterinnen, die eigentlich die ersten Frauen waren, die internationale Schachturniere gewonnen und die Schachszene aufgemischt haben. Im Mai soll Wood – Der geraubte Wald in die Kinos kommen, da geht es um Holzhandel und illegale Holzrodungen. Da sind auch österreichische Firmen involviert. Der Film war für die Diagonale geplant und wurde nach der Absage dann in einer schönen Kooperation auf der Viennale gezeigt. Das war spannend, wir haben auch eine Diskussion gemacht, wo versucht wurde, auf das Podium einzuwirken.
Sie haben filmdelights im Jahr 2010 gegründet. Was braucht man, um einen Filmvertrieb aufzubauen?
Christa Auderlitzky: Ich war lange bei Polyfilm, Verleiharbeit war mir vertraut. Das habe ich auch sehr gerne gemacht. Zugleich habe ich immer auch programmiert, ein paar Jahre lang war ich für die künstlerische Leitung der Österreichischen Filmgalerie in Krems verantwortlich. Es gab aber den Wunsch, mich selbstständig zu machen. Damals gab es in Österreich kaum internationale Vertriebe, eigentlich nur Autlook und Eastwest Filmdistribution. Erst ein, zwei Jahre nach der Gründung von filmdelights habe ich mir dann gedacht, dass es zusätzlich zum Vertrieb gut wäre, auch noch einen Verleihbetrieb aufzunehmen. Ich hatte ja gute Kontakte und wollte Filme auch selbst ins Kino bringen. Das war naheliegend. Wenn man österreichische Filme in Österreich ins Kino bringt, werden zumindest die Marketingkosten durch Kinostartförderungen abgedeckt. Beim Weltvertrieb trägt man die Risiken alle fast selbst, weil der Zugang zum Beispiel zu den EU-Media-Förderungen sehr schwer ist. Ich habe eigentlich mit Spielfilmen angefangen, bin aber zunehmend in den Dokumentarfilmbereich gewechselt, wo es auch leichter ist, an interessante Filme zu kommen. Zugleich finde ich, dass man im österreichischen Filmschaffen die spannendsten Produktionen eigentlich im Dokumentarfilm findet. Grundsätzlich sind das aber zwei sehr unterschiedliche Märkte, was Festivals und Einkäufer betrifft.
Wie kann man sich in den ersten Jahren, trotz der Kontakte, einen Katalog aufbauen?
Christa Auderlitzky: Das war nicht einfach. Es hat sich seither aber auch einiges verändert. Die Fernsehsender haben früher wesentlich mehr bezahlt. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass es unheimlich viele Filme gibt, die einander auf Festivals und im Kino Konkurrenz machen. Ich habe kürzlich von der Berlinale eine Liste bekommen, welche Filme noch keinen Weltvertrieb haben. Das sind relativ viele im Vergleich zu früher. Und natürlich heißt das nicht, dass man mit einem Film, auch wenn er bei einem Festival wie der Berlinale gezeigt wird, Geld verdienen kann; oder dass er eine Karriere außerhalb der Festivals hat.
Wann steigen Sie bei einem Filmprojekt ein?
Christa Auderlitzky: Das ist unterschiedlich. Ich versuche eigentlich erst einzusteigen, nachdem ich den Rohschnitt gesehen habe. Ich finde es schwierig, etwas zu verkaufen, hinter dem man vielleicht nicht hundertprozentig stehen kann. Ich bin immer wieder bei Pitching-Foren dabei, wo Projekte zum Teil in sehr frühen Stadien präsentiert werden, da fällt die Einschätzung schwer. Anders war das bei Die Dohnal, da kannte ich schon früh das Material und fand das überzeugend.
Welche Rolle spielt das Kino im Vertrieb von filmdelights?
Christa Auderlitzky: Kinoeinsätze in anderen Ländern sind nicht einfach. Ein Film muss dafür schon viel Potenzial haben. Offshore – Elmer und das Bankgeheimnis, den wir vor vier Jahren herausgebracht haben, als Banken ein großes Thema waren, hatte unheimlich viel Presse, es gab zahlreiche Interviews mit dem Protagonisten, und trotzdem tat sich der Film schwer im Kino. Aber wir konnten ihn an viele Fernsehsender verkaufen. Es hängt wirklich sehr stark vom jeweiligen Film und den Umständen ab, welche Verwertungsform sich zu welcher Zeit am besten eignet. Was ich auf jeden Fall im Zuge von Corona merke, ist, dass die Online-Nachfrage sich verstärkt hat. Nicht nur bei den Abrechnungen, sondern auch was die verschiedensten Formen der Nachfrage betrifft, etwa auch im Educational-Bereich. Da haben wir gerade einen Deal mit einer Plattform abgeschlossen, die nur in diesem Bereich – allerdings global – arbeitet. Solche Deals sind für uns wichtig, weil nicht wenige Filme von uns im Schul- und Erwachsenenbildungsbereich Potenzial haben. Gerade in dieser Hinsicht tut sich einiges.
In ganz Europa sind die Impfkampagnen angelaufen, auf eine Zeit nach Corona kann zumindest gehofft werden. Stellen Sie sich auf eine Rückkehr der Verhältnisse von zuvor ein?
Christa Auderlitzky: Wichtig wäre auf jeden Fall, dass den Menschen die Angst genommen wird, sich in einem Raum mit vielen anderen Menschen zu befinden. Wenn ich an die vergangene Viennale denke, da hat das super funktioniert. Das war ein sehr positives Zeichen, auch dass sie überhaupt stattgefunden hat. Ich bin überzeugt davon, dass die Leute nach einem Jahr Online-Streaming nun auch wieder Sehnsucht haben, Filme im Kino zu sehen. Der Zustrom wird davon abhängen, welche Sicherheit man dem Publikum vermitteln kann und wie einfach oder kompliziert die Voraussetzungen für einen Kinobesuch sein werden. Bis zur Durchimpfung und mit den Testungen liegt noch eine mühe-volle Zeit vor uns. Muss man einen negativen Test vor dem Kinobesuch vorweisen, muss dieser auf jeden Fall ohne großen Aufwand, entweder zuhause oder auf dem Weg zum Kino gemacht werden können.