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Schweigend steht der Wald

Filmstart

Schweigend steht der Wald

| Ania Gleich |
Zwischen Regenwürmern, Totschlag und Kollektivschuld

Wer das Gefühl hat, sich im Waldambiente zu Jumpscares an einer Tatort-Dramaturgie entlang schlängeln zu wollen, der wird sich in Saralisa Volms Spielfilmdebüt Schweigend steht der Wald wohl fühlen. Der Film, der dem gleichnamigen Roman von Wolfram Fleischhauer folgt, versucht im Sinne eines deutschen „Cold- Case“-Szenarios, die wirklichen Hintergründe der Verbrechen aufzudecken und gräbt dabei unerwartet tief in der Vergangenheit.

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Anja Grimm (Henriette Confurius) ist als Forstpraktikantin in der kleinen Gemeinde in der Oberpfalz zu Besuch. Beim Abnehmen von Bodenproben wird sie allerdings plötzlich von einem scheinbar verwirrten Mann mit einem Gewehr bedroht. Ab diesem Moment scheint eine Gräueltat der nächsten zu folgen und es wird bald klar, dass auch Anja nicht ohne Grund diesen Ort als ihr Praktikumsziel ausgesucht hat: Genau zwanzig Jahre zuvor wurde Anjas Vater in eben dieser Gegend das letzte Mal lebendig gesehen. Als Anja bei Durchsicht ihrer Aufzeichnungen merkt, dass eine Bodenstelle besonders auffällig erscheint, verschwört sich unvermutet der ganze Ort gegen sie. Doch Anjas Verdacht, dass es sich um den verdeckten Mord an ihrem Vater handelt, eröffnet eine Vergangenheit, die weit über dieses Trauma hinausgeht. Die polnische Produktion Pokłosie (Aftermath, 2012) von Władysław Pasikowski schafft einen sehr ähnlichen Bogen aber viel stabiler zu spannen. Auch bei Pasikowski wird ein Zugereister der Auslöser zur Aufdeckung eines Kriegsverbrechens, das ein ganzes Dorf zum Schweigen veranlasst. Bei Schweigend steht der Wald vermisst man das Tempo, das sich aus der kollektiven Schuld an dem Verbrechen gebiert. In Pokłosie stellt sich der unterschwellige Horror dadurch ganz von selbst ein.

Alle, die nach fünf Netflix-Lockdowns gegen die deutsche Dark-Ästhetik aber noch keinen Überdruss hegen und den deutschen Krimi-Sprech mögen, werden sich aber nicht langweilen. Es stimmt, dass die Inszenierung an vielen Stellen witzige Ideen verfolgt. Leider reicht das nicht, um dem Film seinen Nervenkitzel komplett abzukaufen. Denn obwohl er sich durchaus an der Schwelle zum Mysteriösen bewegt, schafft er nicht ganz den Absprung zum Genrefilm. Man vermisst den Bruch, der den Zuschauenden aus der Fassung reißt und ist verleitet, sich nach Ende des Films eher befriedigt von der Kongruenz der Erzählung als lädiert von positiver Empörung in den Kinosessel zurückzulehnen.