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Sick of Myself / Syk pike

Filmstart

Sick of Myself

| Alexandra Seitz |
Zuspitzung der Gegenwart: Horror liefert Anlass für Gelächter.

Thomas macht nichtssagende Kunst aus geklauten Designer-Möbeln, Signe steht daneben und ärgert sich, dass er die ganze Aufmerksamkeit bekommt, obwohl sie ihm doch beim Klauen geholfen hat. Thomas wiederum kann es nicht leiden, wenn irgendwer Signe anders als durch ihn vermittelt zur Kenntnis nimmt. Er benutzt ihre Mittelmäßigkeit, um sein eigenes schwaches Licht heller wirken zu lassen. Sie würde gerne mit im Licht stehen und von ihm aus Liebe und Stolz angestrahlt werden. Beide lügen. Sie belügen sich selbst, einander, andere. Thomas und Signe sind ein modernes Paar. Sie führen das, was früher eine ungesunde Beziehung hieß und heutzutage toxisch genannt wird.

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Das Toxische nimmt der Norweger Kristoffer Borgli in seiner bösen Satire Sick of Myself wörtlich. Eines Tages nämlich entdeckt Signe die Sorge und Aufregung, die um eine Erkrankung herum entstehen kann, und beschafft sich kurzerhand ein für schreckliche Nebenwirkungen berüchtigtes Medikament. Und während man sich noch fragt, wie blöd jemand eigentlich sein kann, da hat sie die Dinger auch schon intus. Ob es der Filmemacher, der hier ein eigenes Drehbuch verfilmt, womöglich auf die plastische Chirurgie abgesehen hat? Der liefern sich schließlich gleichfalls ohne Not und keineswegs immer aus erfindlichen Gründen Menschen sonder Zahl aus. Während man darüber nachdenkt, ob dieser Sachverhalt zur zentralen Metapher einer filmischen Narration taugt, blüht auch schon ein hässlicher Aussatz in Signes Gesicht. Sozusagen umgekehrte Schönheitsoperation. Bald auch regt sich tatsächlich das so heiß ersehnte öffentliche Interesse: Ein Zeitungsinterview! Eine mögliche Karriere als Model einer Agentur, die Inklusion auf ihre Fahnen geschrieben hat! Selfies, Postings, Likes und Dings! Thomas könnte platzen. Signe geht es immer schlechter. Borgli kennt keine Gnade. Er treibt seinen Gegenwartskommentar auf jeden verfügbaren Gipfel und in alle erdenklichen Richtungen. Folgerichtig löst sich im Laufe der Ereignisse die Erzählperspektive auf und wird zunehmend unklar, was Albtraum ist und was Alternativentwurf, was Wirklichkeit und was Fantasie oder Fieberwahn. Zugleich bildet sich in dieser permanenten Verunsicherung des Publikums die Vielzahl der (zu einem Gutteil virtuellen) Realitäten ab, in denen der Homo digitalis der Gegenwart sich so selbstverständlich bewegt. Dass in keiner dieser Realitäten Platz für Wahrheit ist, ist die bitterste Zutat dieses Gift-Cocktails.