Sommer 04

| Günter Pscheider |

Stefan Krohmer inszenierte ein reichlich unterkühltes Psychodrama um die fatalen Folgen eines Urlaubsflirts.

Werbung

 

Es sollten unbeschwerte Ferien an der Nordsee für Miriam, Andre, ihren 15jährigen Sohn Nils und dessen 12jährige frühreife Freundin Livia werden, doch als Livia beim Segeln den gut aussehenden Bill kennen lernt, gerät das fragile Familienidyll schnell aus den Fugen. Miriam will aus einem Verantwortungsgefühl heraus die sich anbahnende Beziehung unterbinden, verliebt sich aber selbst in den charmanten Lebemann und beginnt eine Affäre mit ihm. Doch Bill kann Livia nicht vergessen, er lässt Miriam fallen. Miriam will eine ungestörte Aussprache mit Livia auf dem Segelboot, doch ein folgenschwerer Unfall lässt sie mit einem großen Schuldgefühl zurück.

Die Zutaten stimmen durchaus im neuen Film mit Martina Gedeck: Die Stimmung erinnert in ihren besten Momenten an die klaustrophobischen Ehedramen von Claude Chabrol, Patricia Highsmith könnte Patin gestanden haben für den ambivalenten Umgang mit der (Un-)Moral. Die Geschichte ist zwar nicht neu, birgt aber doch einiges Konfliktpotenzial, das Ende ist wirklich überraschend, die Schauspieler sind exzellent besetzt und agieren sehr glaubwürdig. Und doch lässt einen der Film seltsam ratlos darüber zurück, was man eigentlich gesehen hat. Der Verzicht auf Filmmusik mag noch als Versuch, Kitsch zu vermeiden und Authentizität zu schaffen, angehen. Aber die extrem unterkühlte Inszenierung verbietet sich auch in den dramatischsten Situationen jeglichen Spannungsaufbau und kreist dafür um Nebensächlichkeiten. Als hätte der Drehbuchautor den zweifellos vorhandenen großen Gefühlen nicht getraut und sich lieber auf zwar recht schöne, aber eher belanglose, beiläufige Momente in dem komplexen Beziehungsgeflecht konzentriert. Das bringt leider zwei nicht gelöste Probleme mit sich: Durch den nicht immer gelungenen Versuch, klischeehafte Psychologisierungen zugunsten von Ambivalenz zu vermeiden, geht in wichtigen Momenten die Motivation der Charaktere verloren. Deshalb glaubt man einfach nicht, dass sich Miriam in Bill verliebt und umgekehrt noch viel weniger. Die Schuld der Heldin entpuppt sich schlußendlich als einfach nicht existent, womit dem Zuschauer jede Möglichkeit des Mitleidens genommen wird.

Sommer 04 ist bedauerlicherweise anzumerken, dass anscheinend bereits die erste Drehbuchfassung verfilmt wurde. Dadurch schwankt  der Film unentschlossen zwischen einem Film noir Marke Hollywood und dem nicht überzeugenden Versuch eines deutschen Charakterdramas.