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Superman Returns – American Trademark

American Trademark

| Heimo Sver |

In Superman Returns zieht der ultimative Comics-Held wieder einmal seine Kreise – diesmal unter der Regie von Bryan Singer. Prognosen zum neuen „Man of Steel“-Movie.

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Der blaurote Blitz, der da ultraschnell über die Leinwand surrt und dabei Flugzeuge vor ihrem sicheren Absturz – weil spontan flügellos – rettet, ist keine abgefeuerte Pistolenkugel und schon gar kein Vogel, dafür aber stärker als jede Lokomotive und schneller sowieso. Es ist Superman, der liebste Held aller Comics-Freaks in aller Welt, oder, wie böse Zungen meinen: die spätpubertierende Ikone des American Way of Life. Wie auch immer, der älteste aller Heldenkostüm-Träger (immerhin ist er schon seit 1933 im Einsatz) mit Fähigkeiten bar jeder „anständigen“ Normalität will es wieder einmal wissen bzw. ließ sich von Hollywood nach vier Ausflügen auf die Leinwand, diversen TV-Serials und sonstigem Multimedia-/Merchandising-Schnickschnack erneut filmisch reanimieren. Ergebnis dieser Wiedergeburt ist Superman Returns. Eine Drohung? Vielleicht. Ein Versprechen? Aber sicher! Schon allein deshalb, weil der ehemalige Independent- und mittlerweile Mainstream-Regisseur Bryan Singer sich breitschlagen ließ, dieser American Trademark auf zwei Beinen den nötigen Unterbau zu zimmern, etwas, das ihm vom Comics-Anspruch her schon bei X-Men und X-Men 2 ausgezeichnet gelang.

Noch ist es zu früh, Superman Returns über den Klee zu loben oder boshaft lächelnd dem Blockbuster-Mülleimer zu überantworten. Nach der US-Premiere Ende Juni sieht man den „Stählernen“ hierorts gar erst Mitte August ein neues Kapitel zur Menschwerdung, pardon, Amerikanisierung von Aliens (sprich: Einwanderern, die Jobs vorweisen können) aufschlagen. Ergo bleibt nur ein breites Spektrum an Vermutungen, eine ganz hübsch anzusehende Website inklusive Trailer und die Gewissheit, im Rest-Internet all die Antworten über Superman Returns zu finden, nach denen man eigentlich gar nicht gesurft hat.

The Return of the King

Impressionen eines Trailers: Ewiges Eis. Kälte. Frostbeulen in High Definition: Supermans „Festung der Einsamkeit“ in der Arktis. Und mitten drin: des Helden fleischgewordener Widerpart in kapitalorientierter Lebensform, Lex Luthor alias Kevin Spacey. Natürlich mit kahler Platte und extremer psychischer Instabilität. Seit Se7en und The Usual Suspects auf Facettenmimik des Bösen getrimmt, scheint Spacey die Idealbesetzung zu sein, wenn es heißt, in Gene Hackmans Fußstapfen als changierender Oberfiesling zu treten bzw. die wohl beste Hackman-Cover-Version bislang zu geben. Das bedeutet: Superman Returns setzt dort fort, wo Richard Lesters Superman II (übrigens der beste Teil des Quartetts) sein vorläufiges Ende fand. Luthor hat das Refugium unseres Helden gefunden und informiert sich sogleich mit einem sinistren „Tell me everything!“ über dessen Herkunft und … Schwächen. Übel für Brandon Routh, dem Christopher-Reeve-Ersatz in Sachen Comics-Heldentum. In schneller Abfolge hochstylischen Bildmaterials erkennt man sofort die rote Linie des neuen Films. Offenbar kehrt Kal-El (so Supermans Originalname) nach längerer Abwesenheit auf die Erde zurück. Dort hat sich mehr verändert, als ihm lieb ist: Dauerschwarm Lois Lane, inzwischen mit einem anderen liiert, nennt als Mutter einen kleinen Jungen ihr Eigen. Luthor will mit kristallener Alien-Technologie die Welt von Milliarden Menschen „befreien“, und Metropolis scheint den alten Cape-Träger nicht wirklich vermisst zu haben. Die einzige Konstante ist Supermans Alter Ego Clark Kent. Noch immer bebrillt. Noch immer tollpatschig-naiv. Der zerknautschte Gestern-Faktor einer künstlichen Gegenwart im modischen Retro-Look.

Lois & Clark

Der neue Superman heißt Brandon Routh, und erstmals in der ganzen Superman-Geschichte meint man mit dem Superhelden und Clark Kent wirklich zwei getrennte Individuen vor sich zu sehen. An seiner Seite findet sich Kate Bosworth als Lois Lane, und dass die beiden zueinander finden, will man gar nicht mal wirklich ausschließen. Dass es dabei aber derart sexuell prickelt wie in der legendär-hippen TV-Screwball Comedy Lois & Clark: The New Adventures of Superman aus den 90ern zwischen Teri Hatcher und Langzeit-Pflaume Dean Cain, muss man allerdings bezweifeln. Obwohl, vermuten könnte man natürlich, dass Lois Lanes Kind Ergebnis eines sexuellen Tête-à-tête in Superman II ist; zumal Bryan Singer als gewiefter „Schmuggler“ im Mainstream-Dschungel gelten darf. Das verspricht aber immerhin mehr, als das reichlich undynamische Duo Christopher Reeve/Margot Kidder in der Kinoserie beziehungstechnisch zu bieten hatte. Die Love Story der beiden reihte sich doch eher in die Tradition der völlig unnötigen amourösen Nebenhandlungen in Seventies-Disaster-Movies à la Earthquake ein. Mit der zweifellos originellsten Variante aber wartete das TV-Teenager-Serial Smallville auf: Hier turtelte Clark zwar durchaus mit Lois Lane und deren Vorgängerin Lana Lang, das wirkliche Love Interest schien jedoch der gleichaltrige (!), „brüderlich“ verbundene Lex Luthor zu sein. Fürwahr eine pikante Idee: Superman als Secret Member der Village People?

Why He Fights

Natürlich dient sich der Superman-Mythos scheinbar ideal an die gegenwärtige US-Gesellschaft unter der Bush-Administra-tion und deren repressive Einwanderungspolitik an. Ein (außerirdischer) Immigrant wächst unter der Obhut des gottesfürchtigen Farmerehepaars Kent mitten im ländlichen Kansas auf, zieht dann in die große Stadt Metropolis (= Chicago), um dort einerseits als aufrechter Journalist beim Daily Planet für Wahrheit und Gerechtigkeit zu schreiben und andererseits als prototypischer Amerikaner die Werte der neuen Heimat schlagkräftig zu verteidigen. Ein anderer, nicht weniger amerikanischer Aspekt der aktuellen Verfilmung (plus möglicher Sequels) ist die Aussicht auf größtmögliche Profitmaximierung, stellten doch Verfilmungen aus dem DC- und dem Marvel-Comic-Universum in den letzten Jahren eine beeindruckende Erfolgsgeschichte dar, die in der Ära Bush ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte. Möglicherweise unterlaufen werden diese patriotisch-wirtschaftlichen Elemente allerdings durch die Tatsache, dass Bryan Singer seinen Film dort einsetzen lässt, wo Teil 2 anno 1980 endete, also an eine Ästhetik anknüpft, die unter einem demokratischen Präsidenten (Jimmy Carter) geprägt wurde. Sicher keine Überinterpretation, bedenkt man, dass der bekennende Homosexuelle Singer schon in seinen X-Men-Filmen durchaus subversive, außenseiterfreundliche Tendenzen unterzubringen wusste. So gesehen hat der geflügelte Spießer ja vielleicht doch viel mehr zu bieten, als uns der beunruhigend konservativ anmutende Trailer glauben lässt.

Und einer hat es ja immer schon gewusst – Quentin Tarantino: „Es gibt nur einen Superhelden, und es gibt das Alter Ego. Batman ist in Wirklichkeit Bruce Wayne. Spider-Man ist in Wirklichkeit Peter Parker. Wenn diese Figur morgens früh aufwacht, dann ist es Peter Parker. Er braucht erst sein Kostüm, um Spider-Man zu werden. Was diese Charakteristik angeht, ist Superman eine Ausnahme. Superman wurde nicht erst zum Superman; Superman kam als Superman auf die Welt. Wenn Superman morgens aufwacht, ist er Superman. Sein Alter Ego ist Clark Kent. Sein Umhang mit dem großen roten „S“, das ist die Decke, in die er als Baby eingewickelt war, als die Kents ihn gefunden haben. Das ist seine Kleidung. Was Kent anhat, die Brille, der Büroanzug, das ist das Kostüm. Das ist das Kostüm, das Superman trägt, um sich uns anzupassen. Clark Kent ist so, wie Superman uns sieht. Und was sind die Charakteristika von Clark Kent? Er ist schwach. Er hat wenig Selbstbewusstsein. Er ist ein Feigling. Clark Kent ist Supermans Kritik an der menschlichen Spezies.“