Filmstart

The 355

| Andreas Ungerböck |
Ansprechender, leicht protziger Agentinnen-Action-Reißer mit Spitzenbesetzung.

Klotzen statt Kleckern, das ist hier die Devise. Nach guter alter James-Bond- oder Jason-Bourne-Manier wird hier in Windeseile um den Erdball geflogen, dass es nur so eine Art hat – Klimakrise hin oder her. Neu ist, dass die handelden Hauptpersonen, fünf an der Zahl, alle Frauen sind, und auch bei der Besetzung wurde geklotzt: Jessica Chastain, Penélope Cruz, Diane Kruger, Lupita Nyong’o und Chinas Top-Star Fan Bingbing, das macht schon etwas her. Chinesisches Geld macht’s möglich, und Shanghai ist denn auch der Schauplatz von einem der Showdowns, denn natürlich reicht einer nicht.

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Bis es allerdings soweit ist, jagen die fünf Damen einem elektronischen Gerät nach, “der neuen Droge”, wie ein kolumbianischer Drogenbaron zu Beginn so treffend meint. Mit dem Ding kann man sich in alle Computersysteme einhacken, Flugzeuge zum Absturz bringen, ganzen Städten den Strom abdrehen und auch sonst so allerlei. Der CIA wird das Gerät für läppische drei Millionen Dollar angeboten, die Übergabe in Paris läuft allerdings gründlich schief – das ist klar, denn sonst gäbe es diesen Film nicht. Nach und nach lernen wir die fünf Agentinnen kennen, die natürlich allesamt Koryphäen auf ihren jeweiligen Fachgebieten sind – nur die Kolumbianerin Graciela (Cruz) behauptet den ganzen Film über, sie sei “eigentlich nur” Psychologin. Die anderen vier leicht exzentrischen Frauen kämpfen, schießen, schwingen Schwerter und Stöcke und verstehen sich auf viele weitere Fertigkeiten, die im Agentinnen-Leben praktisch sind. So verfügen sie auch über offenbar unerschöpfliche Garderobenvorräte in fremden Städten, geradezu einheimische Ortskenntnisse (zum Beispiel im verwinkelten Souk von Marrakesch), die Fähigkeit, uneingeschränkt Waffen in Flugzeugen zu transportieren und dergleichen mehr.

Aber geschenkt, mit Logik kommt man bekanntlich in Agent(inn)enfilmen nicht weit, und so erfreut mich sich an dieser prächtigen Darstellerinnen-Riege, die mit sichtlicher Lust am actionreichen Geschehen an der Arbeit ist. Vor allem Diane Kruger kann scheinbar gar nicht genug bekommen und bewältigt ein gewaltiges sportliches Pensum, während Jessica Chastain schon ziemlich früh ihre Martial-Arts-Fähigkeiten zur Schau stellt. Lupita Nyong’o ist die IT-Spezialistin. Wie so oft bei dieser Art von Action-Stationen-Drama stellt sich aber vor allem gegen das Ende hin leichter Überdruss ein, und nicht jede Handlungsschleife, die das ohnehin erwartbare Ende hinauszögert, erscheint zwingend erforderlich.

Als einziger ernstzunehmender männlicher Gegenpart stellt sich der aparte, hier aber durch und durch böse Sebastian Stan der weiblichen Übermacht entgegen, alle anderen Männer sind eher Pappfiguren und fallen in den zahlreichen Scharmützeln mit den fünf Protagonistinnen auch um wie solche. Das ist gut und soll auch so sein, denn Jahrzehnte lang wurde das Genre ja bis zum Abwinken von Männern dominiert. Ein bisschen weniger wäre zwar mehr gewesen, aber wem kann das schon verübeln, wenn man einen solchen Cast aufzubieten hat? Regisseur Simon Kinberg, 2019 mit X-Men: Dark Phoenix auffällig geworden, schöpft jedenfalls aus dem Vollen.