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Filmkritik

The Innocents

| Jörg Schiffauer |
Horrorthriller um Kinder mit übernatürlichen Fähigkeiten

Dem Umzug ihrer Familie kann Ida wenig Positives abgewinnen. Die neue Wohnung befindet sich nämlich in einer jener uniformen Hochhaussiedlungen, die man trotz ihrer Funktionalität mittlerweile nicht unbedingt als begehrenswerten Lebensraum zu betrachten pflegt. Die steigende Unzufriedenheit des etwa zehnjährigen Mädchens mag aber auch damit zusammenhängen, dass Ida es ohnehin nicht gerade leicht im Leben hat. Ihre ältere Schwester Anna leidet an einer Form von Autismus, die mit sich bringt, dass sie nicht spricht. Was bedeutet, dass Ida im Alltag oft mehr Verantwortung übernehmen muss, als das für ein Kind in ihrem Alter eigentlich üblich ist. Also versucht sich Ida so einigermaßen schlecht und recht in ihrer neuen Umgebung, die nicht wirklich einladend anmutet, einzuleben.

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Als sie auf dem Spielplatz der Siedlung in der Gestalt von Aisha und Ben gleichaltrige Freunde findet, scheinen die Dinge zunächst in eine gute Richtung zu gehen. Doch als sich herausstellt, dass die Kinder plötzlich über telepathische bzw. telekinetische Kräfte verfügen, geraten die Dinge bald außer Kontrolle. Zwar findet Anna aufgrund der übernatürlichen Verbindungen die Sprache wieder, doch die Kräfte bergen auch eine Gefahr. Denn große Macht bringt bekanntermaßen auch große Verantwortung mit sich, wie selbst Superhelden unterschiedlicher Couleurs immer wieder erfahren müssen. Und kleine Kinder sind noch viel weniger darauf vorbereitet, mit neu gewonnener Macht verantwortungsbewusst umzugehen.

Genre-affine Zuschauer werden nicht lange brauchen, um zu identifizieren, wo der norwegische Regisseur und Drehbuchautor Eskil Vogt Anleihen für The Innocents genommen hat. Zunächst ruft man sich Stephen King ins Gedächtnis, der das Motiv um über übernatürliche Kräfte verfügende Kinder etwa in „Firestarter“ oder „The Shining“ behandelt hat. Und auch die legendäre Sci-Fi-Serie Star Trek griff den Machtmissbrauch telekinetischer Begabungen durch einen jugendlichen Protagonisten bereits 1966 in der Episode Charlie X auf. Ähnlich wie bei Stephen King erwächst auch bei The Innocents die Bedrohung aus dem Alltäglichen, dem Vertrauten, was das Schreckensszenario verstärken soll. Doch angesichts Vogts allzu bedächtiger Inszenierung mag nur wenig Spannung aufkommen, selbst wenn sich manch eines der Kinder als kleines Monster vom Schlag Damiens aus The Omen – wenn auch ohne teuflische Abstammung – erweist. Dass die flach verlaufende Spannungskurve durch einen unangenehm wirkenden Sadismus kompensiert werden soll, erscheint als wenig effizienter Rettungsversuch auf dramaturgischer Ebene.