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Tuyas Hochzeit

| Andreas Ungerböck |

Eine tapfere Nomadenfrau in der Inneren Mongolei lässt sich von dummen, gierigen und schwachen Männern nicht entmutigen.

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Wang Quan’an gewann mit Tuyas Hochzeit den Goldenen Bären in Berlin (siehe auch den China-Schwerpunkt in ray 05/07). Durchaus denkbar, dass die Jury, wie viele andere vor ihr, wieder einmal gepackt war von bunt gekleideten Asiaten, die in der Steppe herumstiefeln. Das ist verständlich, aber Tuyas Hochzeit handelt genau nicht von Folklore, sondern vom drohenden Verschwinden derselben. In der kargen, lebensfeindlichen Landschaft der Inneren Mongolei wiederholt sich, so Wang, in rasantem Tempo der Irrsinn, den China derzeit in allen Regionen, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, erlebt: Der unermesslichen Gier nach Energie und Rohstoffen wird auch in der Steppe gefrönt, das Ökosystem über den Haufen geworfen und die Nomaden in die stetig wachsenden hässlichen Boomtowns getrieben.

Ansätze davon sind hier bereits deutlich zu sehen, weshalb der Regisseur auch meint, dies sei „der möglicherweise letzte flüchtige Blick auf die Hirten der Inneren Mongolei“. Als solcher ist der Film wichtig, mit seinem fast ethnografischen Impetus, der sich auch in der Wahl der Darsteller (mit Ausnahme Yu Nans als Tuya sind fast alle Beteiligten Hirten aus der Region) widerspiegelt. Der Geschichte von der toughen Hirtenfrau, die mit zwei Kindern und einem bei einem Unfall schwer am Bein verletzten Mann mehr schlecht als recht überlebt, fehlt es am rechten Tempo und sie hat allzu viele Wendungen, aber sie hat etwas zu sagen, nicht nur über die drohende ökologische Katastrophe, sondern auch über die demografische: Tuya und ihr Mann Bater einigen sich auf eine Scheidung, damit sie einen gesunden, kräftigen Mann heiraten kann, der ihr bei der Arbeit hilft. Den Anmarsch einer Schar von Heiratskandidaten nützt Wang virtuos, um nicht nur auf die verheerenden Folgen der Ein-Kind-Politik und der Abtreibung von Millionen weiblicher Föten hinzuweisen, sondern auch um ein Panoptikum an Macho-Gestalten zu zeigen, an denen mehr als 50 Jahre kommunistischer „Befreiung der Frau“ spurlos vorübergegangen sind. Auch der gierige Neureiche fehlt nicht, der alles hat, nur nicht Gefühl und Stil – er treibt die Familie beinahe in den Abgrund.

Getragen wird Tuyas Hochzeit mühelos von der 29-jährigen Yu Nan, die man getrost als den kommenden weiblichen chinesischen Star ansehen darf. In ihrem auf herbe Art schönen Gesicht und in ihrer Körpersprache spiegelt sich die ganze Skala der Emotionen dieser von Wind, Wetter und Männerwelt geplagten Frau, die sich nicht unterkriegen lässt.