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Umberto Eco – Eine Bibliothek der Welt

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Umberto Eco – Eine Bibliothek der Welt

| Oliver Stangl |
Die Bücher und das Paradies

 

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Umberto Eco (1932–2016) fehlt – wie kaum ein anderer Schriftsteller verstand es der Italiener, Unterhaltung mit intellektuellem Anspruch zu verbinden. Der Name des Universalgelehrten, der als Semiotikprofessor an der Universität von Bologna unterrichtete, Romane und Kolumnen schrieb, war Millionen ein Begriff: Durch Bestseller wie „Der Name der Rose“ (1980) oder „Das Foucaultsche Pendel“ (der immer noch hochaktuelle Roman aus dem Jahr 1988 verhandelt Verschwörungstheorien) wurde ein breites Publikum mit Begriffen wie etwa Intertextualität konfrontiert; falls der individuelle Leser an solcherlei literaturwissenschaftlichen Hintergründen nicht interessiert war, blieben immer noch spannende Geschichten zwischen Krimi, Thriller und Historienepos übrig. Die Basis für Ecos zitierfreudige Bücher bildete ein enormes Wissen, das der Autor aus einer gewaltigen Büchersammlung bezog.

Gemeinsam mit dem Filmemacher Davide Ferrario arbeitete Eco 2015 im Rahmen der Biennale von Venedig an einer Kunst- und Videoinstallation, in deren Zentrum das Medium Buch stand – genauer gesagt, Ecos Bibliothek, die rund 30.000 zeitgenössische und 1.500 rare bzw. antike Bücher umfasst. Ferrario fing Eco dabei ein, wie er durch dieses Bücherlabyrinth (Assoziationen zu „Der Name der Rose“ kommen auf) spazierte – und anhand eines Systems, das nur ihm selbst vertraut war, stets wusste, wo sich jeder einzelne Band befand. Nach Ecos Tod gewährte dessen Familie Ferrario Zugang zu diesem überaus diversen Bücherschatz (u. a. sammelte Eco alle erfundenen Sprachen der Welt). Mit Eine Bibliothek der Welt ist ein Porträt Ecos entstanden, das Interviews (Eco-Archivmaterial, amüsant-berührende Gespräche mit der Familie) mit Kurzvorstellungen einzelner Bücher und szenischen Lesungen aus Eco-Werken verbindet. Ferrario ist der richtige Mann für einen solchen Dokumentarfilm, da er ebenso zwischen Theorie – u. a. war er als Filmkritiker tätig – und Praxis zuhause ist und ein vielseitiges Werk vorgelegt hat (neben Musikvideos und Spielfilmen u. a. auch die grandiose, mittlerweile leider vergessene Compilation-Reihe American Supermarket, in der er Propagandafilme und Werbung zu einem Stimmungsbild der Nachkriegs-USA montierte). Mit der Bibliothek ist Ferrario eine feinsinnige, in Kapitel unterteilte Hommage an einen großen Geist gelungen, in der man viel über Ecos literarische Favoriten zwischen Renaissance und Comics, aber auch über seine Art des Geschichtenerzählens erfährt. Gleichzeitig ist diese dokumentarische Feier von Literatur, Philosophie und kulturellem Gedächtnis – „Ich erblickte in einem einzigen Buch die Seiten des ganzen Universums“, zitiert der Autor Dante – ein guter Anlass, zu einem Eco-Buch zu greifen.