Vox Lux

Filmkritik

Vox Lux

| Alexandra Seitz |
Popmusikalische Gegenwartsanalyse: eiskalt, dafür präzise

That’s Entertainment! Auf der Bühne funktioniert sie wie ein Schweizer Uhrwerk, dort hat sie eine Kunstfigur zu geben, eine Illusion zu kreieren, Unterhaltung zu liefern. Das Make-up ist makellos, das Kostüm sitzt, jede Bewegung ist geplant. Licht, Musik und Choreografie greifen nahtlos ineinander, das Publikum jubelt; im Rausch der Performance realisiert sich das immer faszinierende Charisma des Popsuperstars. War da mal ein Mensch, der Musik machte? Ja, da war einmal ein Mädchen, das bei der Trauerfeier für die Opfer des Amoklaufs an ihrer Highschool, den auch sie selbst nur knapp überlebt hat, ein Lied sang, das für Zuversicht und Zusammenhalt stand. Ein Lied, das sich in der Folge zur Hymne entwickelte und das die Sängerin in jene toxischen Sphären des Ruhms katapultierte, in denen nur die gefestigten Charaktere nicht bröckeln. Die also bröckelte, hinter denkbar perfekter Maske.

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Nach seinem Spielfilm-Regiedebüt The Childhood of a Leader (2015) legt der Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur
Brady Corbet mit Vox Lux ein weiteres seltsames Werk vor. Handelte der kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges verortete Erstling von der frühkindlichen gewaltsamen Konditionierung eines Jungen, der sich zu einem totalitären Herrscher entwickeln wird, so beschäftigt sich Vox Lux mit den Mechanismen des Celebrity-Kults zu Beginn des 21. Jahrhunderts, im Zeitalter von Terror und medialem Overkill. Beide Filme schildern Zurichtungen.

In drei Akten weniger erzählt denn auf die Leinwand geschleudert, wird in Vox Lux die Geschichte von Aufstieg, Fall und Comeback der Elektropop-Diva Celeste Montgomery, die von Natalie Portman in einer sie selbst nicht schonenden Tour-de-Force-Performance verkörpert wird. Portman spielt das Schreckbild einer Berühmtheit, die die Bodenhaftung verloren hat, eine Frau, die in ihrem Panzer im Grunde nicht mehr aus noch ein weiß, die sich aber nichts anmerken lassen darf/will, weil das nun einmal der Deal ist: Wer Schwäche zeigt in diesem Business, geht unweigerlich unter.

Man mag, wie schon bei Corbets Erstling, dem Konzept der simplen kausalen Verknüpfung von ursächlichem, zeitgeschichtlichem Ereignis und resultierender psychischer Verfasstheit misstrauen, an der Gültigkeit von Portmans Charakterporträt aber lässt sich nicht zweifeln: Celeste ist als in sich geschlossener Mikrokosmos auch ein Abbild jenes nur mehr um sich selbst kreisenden Individuums, das unseres Gegenwart bestimmt: das ultimativ selbstverwirklichte Selfie.