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Waren einmal Revoluzzer

Filmkritik

Waren einmal Revoluzzer

| Andreas Ungerböck |
Ansehnliches aktuelles Gesellschaftsdrama aus dem Bobo-Milieu

Wenn eine Produktion Julia Jentsch und Aenne Schwarz als Hauptdarstellerinnen aufweist, kann nicht mehr viel schiefgehen – so ist es auch im Falle von Johanna Moders als Tragikomödie deklariertem Drama um zwei befreundete Wiener Bobo-Paare, die eines Tages von ihrer mehr behaupteten als anhand ihrer Persönlichkeiten nachvollziehbaren „politischen Vergangenheit“ eingeholt werden.

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Konkret erhält Helene (Jentsch), tüchtige Richterin mit grüblerischem, nicht-erfolgreichem Musiker-Ehemann und zwei Kindern, einen Hilferuf ihres ehemaligen Liebhabers Pavel, eines russischen Dissidenten. Da ein Freund, der Therapeut Volker, ohnehin in Moskau zu tun hat, gibt sie ihm einen Packen Geld für Pavel mit – die Kontaktaufnahme vor Ort erfolgt unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen. Die beiden Männer verstehen sich auf Anhieb, und unter Einfluss von Alkohol kommt Volker (Marcel Mohab) auf die Idee, Pavel nach Österreich zu schleusen. Gesagt, getan – verblüffend einfach geht das im Film. Doch womit niemand gerechnet oder was Volker verschwiegen hat, ist, dass Pavel auch seine polizeilich gesuchte Frau Ewgenija und seinen Baby-Sohn mitbringt.

Die Begeisterung der vier Beteiligten – das Quartett wird vervollständigt von Volkers neuer Freundin Tina (Schwarz) – darüber, „endlich etwas tun zu können, anstatt immer nur zu reden“, legt sich relativ schnell, als ihnen die möglichen Konsequenzen ihrer Aktion allmählich bewusst werden. Vor allem aber, und das ist weit schlüssiger als der politische Hintergrund, wird anhand der überraschenden und nicht besonders erfreulichen Situation mit den russischen Neuankömmlingen deutlich, wie fragil die Beziehungen der vier Hauptfiguren untereinander sind. Vor allem Volker ist hinter seinem jovialen Image ein ziemlich unangenehmer und wehleidiger Zeitgenosse, eine Tatsache, auf die ihn auch sein Vater (Josef Hader in einem Kurzauftritt) hinweist. Auch Jakob (Manuel Rubey), der „sensible Künstler“, bekommt in Wirklichkeit nicht viel auf die Reihe und ist für Helene, die zwischen Beruf und Haushalt pendelt, keine große Stütze.

So beginnt die Bobo-Idylle langsam, aber sicher zu bröckeln, das ist sehr gut und fein beobachtet und vor allem von den beiden Frauen unglaublich gut gespielt. Am Schluss singt Clara Luzia das von Béla Reinitz 1929 vertonte Gedicht „Der Revoluzzer“ von Erich Mühsam, in dem der deutsche Arbeiterdichter schon 1907 alle „Salonrevolutionäre“ mit Hohn und Spott übergossen hatte, die, wenn es ernst wird, dann doch kneifen.