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Was geschah mit Bus 670?

Filmkritik

Was geschah mit Bus 670?

| Günter Pscheider |
Intensives Drama mitten ins Herz der Finsternis

Der etwas irreführende deutsche Titel lässt eher auf einen konventionellen Thriller schließen, in dem die Protagonistin dem Geheimnis ihres nach einem Überfall auf besagtem Bus verschwundenen Sohnes auf die Spur kommen will. Im Original heißt der Film passender Sin señas particulares (ohne besondere Kennzeichen), denn es geht eben nur vordergründig um das Einzelschicksal einer verzweifelten Mutter. Regisseurin Fernanda Valadez versucht etwas Allgemeingültiges über die menschliche Natur auszusagen, auch wenn die sehr reduzierte Geschichte stark in der mexikanischen Gegenwart verankert ist.

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Im Grenzgebiet zu den Vereinigten Staaten werden immer wieder junge Migranten von Banden überfallen, ihrer wenigen Wertsachen beraubt und meist getötet, die halb verbrannten Leichen sind oft schwer zu identifizieren. Magdalena kann unter all den Toten von Bus 670 ihren Sohn nicht erkennen und macht sich per Anhalter und zu Fuß auf die Suche nach einem alten Mann, der das Massaker überlebt hat, um von dem schamanisch wirkenden Ureinwohner irgendetwas über das Schicksal ihres Sohnes zu erfahren. Unterwegs trifft sie auf einen hilfsbereiten Jungen, der aus den USA deportiert wurde und das karge Haus seiner Mutter leer vorfindet.

Menschen verschwinden einfach in diesem Teil der Welt, und das am meisten Verstörende daran ist, dass dies niemanden mehr besonders überrascht. Dieses Klima des Terrors wird sehr effektiv mit allerlei beiläufigen Landschaftsaufnahmen konterkariert, die Gleichgültigkeit der Natur dem Leid der Menschen gegenüber steht wohl auch für die Grausamkeit der Banden, die in den finalen Sequenzen ihren fast mystisch konnotierten Höhepunkt erreicht.

Anstatt aus diesem finalen Plot-Twist ein veritables Drama um Schuld und Sühne zu stricken, setzt Fernanda Valadez mehr auf Atmosphäre als auf Handlung oder psychologische Figurenentwicklung. Das führt gerade im behäbigen ersten Teil des Films doch zu einigen Längen. Dieser Zugang erfordert Geduld, die Inszenierung ist sehr zurückgenommen, doch die authentisch wirkenden Schauspielerinnen und Schauspieler und die exzellente Kameraarbeit lassen nie Langeweile aufkommen. Das Grauen ist selten sichtbar, aber immer spürbar in diesem intensiven Roadmovie der etwas anderen Art.