wet sand

Filmkritik

Wet Sand

| Jakob Dibold |
Spannend, heftig, schön: Queere Leben und ihre Feinde

Ein georgisches Dorf, in dem alle einander kennen, hat einen Todesfall zu beklagen, doch (fast) niemand beklagt ihn, man macht sich sogar über den Toten lustig. Strandcafé-Betreiber Amnon fordert von den anderen Respekt ein und benachrichtigt die einzige familiäre Hinterbliebene, über deren Kontaktdaten er verfügt. So reist schließlich Moe an, die Enkelin von Eliko, aus der Hauptstadt in die trügerische Land-Idylle, in der sich ihr krebskranker Großvater also erhängt haben soll – man werde ihn obduzieren, sagt ein Polizist, aber man irre sich nie. Zunächst ergibt sich daraus nur naheliegender Culture Clash, denn bis auf Amnon und seine junge Mitarbeiterin Fleshka, die bei Eliko geputzt hat, sind die Dorfleute der Städterin großteils abgeneigt – vom selben Schlag wie jener dahingeschiedene Außenseiter scheint sie ihnen. Recht bald wird klar: Grund für die Ausgrenzung und den regelrechten Hass, die dem Verstorbenen auch noch in seiner letzten Ruhe entgegenschlagen – das Begräbnis wird zum erbitterten Streitpunkt, eine Person schlug noch vor Moes Ankunft vor, man solle ihn doch lieber Tieren verfüttern –, ist religiös motivierte, brutale Homophobie. Das von den Umständen vereinte, in sich nicht unkomplizierte Dreier-Bündnis aus Amnon, Fleshka und Moe versucht, sich dem entgegenzustellen.

Wet Sand entwickelt sich als vielschichtiges Drama, das in krimihafter Manier nach und nach Sozialhorror, existenzielle Tragik und das entmenschlichende Potenzial strengen Glaubens offenlegt, und wie nebenbei auch von schicksalhaften Begegnungen erzählt: Ganz wunderbar inszeniert Regisseurin Elena Naveriani (Interview) in ihrem zweiten Langfilm kleine Zuspitzungen, die ohne großen einzelnen Twist zwar in ein infernales Finale führen, im Angesicht derer sich vor allem die beiden weiblichen Hauptcharaktere aber nie in die Tragödie ergeben. Beleuchtet und fotografiert ist das durchwegs sehr genau; wie auch allermeist das Dialogische sitzt, in dem selbstbewusst eingesetztes Blicken, Gestikulieren oder Schweigen dafür Sorge trägt, dass kein Satz und kein Wort zu viel gesprochen werden muss. Nicht allzu oft sieht man auch das Prinizip einer für die gesamte Handlung entscheidenden ersten Szene so gut realisiert wie hier. Landkartengleich finden sich darin Objekte und scheinbar minimale Ereignisse, die im Fortlauf der folgenden knapp zwei Stunden zurück in die Geschichte durchdringen: Brief, Flasche, Glasmusik, Flüstern, der langsam polternde Swans-Song, der im Grunde alles schaudernd zusammenfasst: „God save us now / We believe in love“.