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Wiener Festwochen

Filmbühne

| Oliver Stangl |
Die Festwochen und das Kino: weitere Highlights im Überblick

Die Wiener Festwochen lassen seit vielen Jahren nicht nur die Herzen von Theateraficionados höher schlagen, auch Cineastinnen und Cineasten kommen stets auf ihre Kosten. So gab es in der Geschichte des Festivals etwa, um nur wenige Beispiele zu nennen, Bühnenadaptionen von Film-noir-Klassikern wie Double Indemnity (unter dem Titel „Instinct“ und inszeniert von Johan Simons, 2009) oder Auftritte von Hollywoodstars (Philip Seymour Hoffman und Jessica Chastain spielten 2009 in Peter Sellars’ „Othello“-Version, Cate Blanchett trat 2012 im von Benedict Andrews inszenierten Botho-Strauss-Stück „Gross und klein“ auf). Diesmal sind mehrere Größen des Weltkinos in Wien zu Gast: der thailändische Regisseur Apichatpong Weerasethakul, die französische Schauspielikone Isabelle Huppert und der ungarische Filmemacher Béla Tarr. Auch der schwedische Künstler Markus Öhrn hat sich mit dem Medium Film auseinandergesetzt.

Für Weerasethakul (Goldene Palme 2010 für Uncle Boonmee Who Can Recall His Past Lives), den seine Freunde aufgrund des komplizierten Namens einfach „Joe“ nennen, war der 2015 im Asia Center Gwangju uraufgeführte „Fever Room“ die erste Theaterarbeit – ein Debüt, das Publikum und Kritik hellauf begeisterte. Die Basis bildet dabei Weerasethakuls Film Cemetery of Splendour (2015), der von der Annäherung einer Hausfrau an einen Soldaten erzählt, der von einer geheimnisvollen Schlafkrankheit befallen wurde. Die traumartige Qualität dieses Films – der Titel bezieht sich auf einen mythischen Palast, der später als Friedhof genutzt wurde – kommt dabei auch auf der Bühne zum Tragen: Filmszenen, Projektionen, Nebeleffekte und eine ausgeklügelte Lichtregie ziehen den Betrachter in den Bann, sorgen für eine nahezu vollkommene Immersion. Weerasethakuls Figuren halten sich spirituell oft in einer Zwischenwelt auf – Geisterwesen, die immer wieder in den Filmen vorkommen, fehlen hier ebenfalls nicht –, doch gibt es anhand der Figur des Soldaten Itt auch konkrete Anklänge an die Militärregierung in Thailand. Die Festwochenbesucher können sich im Theater an der Wien auf ein hypnotisches Ereignis einstellen.

Der texanische Theatergigant Robert Wilson, Autor Darryl Pinckney und Schauspielerin Isabelle Huppert haben bereits 1993 für den unvergessenen Theatermonolog „Orlando“ zusammengearbeitet. Nun bringt das Trio endlich wieder ein neues Stück auf die Bühne: „Mary Said What She Said“ wird gleich nach der Uraufführung in Frankreich Wien beehren. Wilsons abstrahierender Umgang mit Zeit und Raum trifft erneut auf einen Monolog: Mary Stuart, Königin von Frankreich und Schottland, reflektiert über Liebe, Macht, Verrat und Freiheit. Man darf sich sicher sein, dass Isabelle Huppert diese Rolle mit all ihrem Charisma und all ihrer Schauspielkunst ausfüllen wird.

Der Ungar Béla Tarr zählt zu den bedeutendsten Regisseuren der Gegenwart, dessen in Schwarz-Weiß gedrehte Filme mit langen Einstellungen einen Blick auf die Mühsal der Existenz werfen und sich nie groß um Konventionen scheren – so ist die Romanverfilmung Satanstango mit 450 Minuten einer der längsten Kinofilme überhaupt. Eigentlich hatte Tarr angekündigt, dass sein Drama Das Turiner Pferd (2011) sein letzter Film sei, doch nun gibt es – ausschließlich im Rahmen der Festwochen – ein neues Werk zu sehen: Missing People fasst Menschen ins Bild, deren Leben von Armut und Ausgrenzung geprägt ist. Das Publikum ist beim Screening unter sich. Zusätzlich zu diesem humanen Projekt gibt es einen Talk mit Béla Tarr und dem Philosophen Jacques Rancière, der 2011 ein Buch über das Schaffen des Filmemachers schrieb („Die Zeit danach“) – Eintritt frei. Im Österreichischen Filmmuseum wird Tarr schließlich – nach einem Screening seines Frühwerks Family Nest (1979) – eine Masterclass abhalten.

Der Schwede Markus Öhrn greift für „Bergman in Uganda“ eine spezifische Form der Kinokultur aus Uganda auf: Dort übersetzen Vee-Jays in provisorischen Kinosälen live Hollywood-Blockbuster. Öhrn ließ zur Abwechslung europäisches Arthouse-Kino in Form von Filmen Ingmar Bergmans vorführen. Daraus entstand schließlich die Idee einer Installation, bei der die Zuseher zwischen zwei Leinwänden Platz nehmen. Auf der einen Seite läuft Persona (1966), auf der anderen erzählt ein lokaler Geschichtenerzähler den Film mit Worten. Ein nicht ironiefreies Spiel mit Kultur und Kontext. In Öhrns zweiter Arbeit „3 Episodes of Life“, die Missbrauchsfälle im beruflichen Umfeld thematisiert, trifft Performance auf Stummfilm, wobei einmal mehr Masken zum Einsatz kommen. Der Live-Soundtrack stammt von der Theremin-Spielerin Dorit Chrysler und dem Pianisten Arno Waschk.