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Die perfekte Kandidatin

Filmkritik

Die perfekte Kandidatin

| Pamela Jahn |
Ein Hauch von Freiheit und Wandel

Es fehlt an allen Ecken und Enden. Das bekommt die junge Ärztin Maryam bei ihrem Dienst im Krankenhaus jeden Tag zu spüren, so wie ihr auch die Vormachtstellung der männlichen Kollegen und das mangelnde Vertrauen der Patienten in Bezug auf ihre beruflichen Fähigkeiten permanent unter die Nase gerieben werden. Was Maryam jedoch am allermeisten verärgert, ist der Zustand der Straße, die zur Klinik führt. Und das nicht nur, weil sie neuerdings auch selbst mit dem Auto zur Arbeit fahren darf, was Frauen in Saudi-Arabien bis vor kurzem noch vorenthalten war. Vielmehr ist sie um ihre Patienten besorgt, die sich jedes Mal mühsam durch den Schlammparcours quälen müssen, in den sich die Zufahrt verwandelt, sobald es zu regnen beginnt.

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Die Straße ist nur das letzte Staubkorn, das für Maryam in Haifaa Al Mansours mit Engagement, Eigenwillen und Empathie beseeltem Film bald eine Lawine ins Rollen bringt. Denn aus der Not heraus sieht sich die energische Frau Doktor plötzlich als Gemeinderätin kandidieren, erst nur zum Schein, um sich bei einem Bekannten, der bei der Stadt arbeitet, Gehör zu verschaffen. Doch als sie das Potenzial dieser Position erkennt, ist sie bald mit ganzem Herzen dabei. Ihr Vater, ein verkannter Musiker, der seine Töchter zum freien Denken erzogen hat, ist zwar zunächst wenig begeistert von der Nachricht, kann jedoch am Ende genauso wenig gegen ihre Kampagne verrichten, wie sämtliche Hindernisse, die ihr als Frau im Rennen um das Amt in den Weg gelegt werden. Unterstützt von ihren zwei Schwestern, gibt Maryam alles, macht sich Freunde und Feinde und verkörpert gleichzeitig die Hoffnung auf eine bessere Welt in einem Land, das mit der Moderne, Gleichberechtigung und dem Überwinden von alten Konventionen noch immer seine Probleme hat.

Die perfekte Kandidatin ist jedoch nicht nur die Geschichte einer Emanzipierung. Mansour kehrt nach einer Detour mit Mary
Shelley
ins englischsprachige Kino in die Heimat zurück, um von ihrem Land und ihren Leuten zu erzählen. Dass sie sich dabei vor allem auf die Frauen konzentriert, verwundert angesichts ihrer bisherige Filmografie wenig. Und doch laufen ein tiefer Sinn für Tradition sowie ein unbedingter Wille zur Veränderung bei ihr stets parallel, bedingen sich gegenseitig und reiben sich aneinander in der Zuversicht, dass daraus Neues entstehen kann. Es ist ein Film, der die Leidenschaft, den Eigenwillen und die Emotionen seiner Regisseurin mit Stolz und einer leisen Wucht auf die Leinwand projiziert und suggeriert, dass jeder Einsatz, wenn auch noch so klein, bedeutend ist, um einen Wandel zu erzeugen.