Matt Reeves’ düstere „Batman“-Version soll – endlich einmal – die detektivischen Fähigkeiten des Fledermausmannes hervorkehren. Gleichzeitig könnte es sich bei Robert Pattinson um die bisher abgründigste Version des traumatisierten Millionärssohns handeln. „ray“ hat vor dem Kinostart Indizien zusammengetragen und allerlei Handlungselemente aufgestöbert, die in ihrer Kombination zumindest das Potenzial für einen Superheldenfilm mit Substanz haben. Cum grano salis.
Wenn es ans Casting des neuen James Bond oder des neuen Batman geht (in kleinerem Umfang auch des neuen Sherlock Holmes), ist das meist eine Sache, zu der fast jeder eine Meinung hat. Eines hat sich in den letzten Jahren allerdings geändert: Unkonventionelle Besetzungen lösen nicht mehr so viele Kontroversen wie früher aus – insgeheim möchten viele vielleicht sogar mit Entscheidungen überrascht werden, die nicht unbedingt auf der Hand liegen. Daniel Craig wurde anfangs noch als hässlicher „blonde Bond“ verspottet, zeigte jedoch zumindest mit den beiden Kapiteln Casino Royale (eine Art „Bond Begins“, um gleich einen weiteren Batman-Bezug herzustellen) und Skyfall, dass man es auch mal anders machen kann (über die restlichen Teile breiten wir aber den Mantel des Schweigens).
Michael Keaton tat man vor Batman (1989) als schmächtigen Komiker ab – nun brennen Fans auf die Rückkehr des Siebzigjährigen, der für The Flash (startet im Herbst) wieder ins Fledermauskostüm geschlüpft ist. Christian Bale konnte Elemente seines damaligen düsteren American Psycho-Images gar in Nolans „Batman“-Trilogie mitnehmen – und erhielt für die Rolle des Millionärs Bruce Wayne teils bessere Kritiken als für dessen Alter Ego. Rückblickend hat sich Konventionalität, die rein auf Starpower setzt, sogar als fader Fehlschlag erwiesen – so war George Clooney 1997 in Batman & Robin der am wenigsten überzeugende Batman (aber gut, wer hat in dieser Katastrophe schon geglänzt?). Bestenfalls zwiespältige Bilanzen weisen Ben Affleck und Val Kilmer auf. In einer ganz eigenen Liga spielt natürlich Adam West, der legendäre Sixties-Batman.
Klar gab es zu Beginn, als der Brite Robert Pattinson (Portrait Magazin 6/2019) als neuer Bruce Wayne / Batman angekündigt wurde, auch ein paar kritische Stimmen – etwa, als der frühere Twilight-Star, der sich mittlerweile mit Arthouse-Filmen wie The Lighthouse (2019) als ernstzunehmender Schauspieler etabliert hat, in einem Lockdown-Interview behauptete, nicht übermäßig für die Rolle zu trainieren: James Dean sei ja schließlich auch kein Muskelpaket gewesen, so Pattinson damals. Mittlerweile ist aber klar, dass diese Aussage mit einer ziemlichen Dosis britischen Humors versehen war – die obligatorischen Shirtless-Shots des Trailers demonstrieren, dass der Mann mehr getan hat, als nur ein bisschen Proteinpulver über sein Porridge zu streuen. Doch Muskeln hin oder her: Als der erste Trailer herauskam, ahnten viele, dass Pattinson das Zeug zu einem ganz besonderen Batman (vielleicht gleich hinter Adam West) haben könnte: Sowohl die Szenen, in denen der Verbrecherschreck aggressiv zugange ist, als auch die Zurückgenommenheit Bruce Waynes wirken eindrucksvoll.
Den vollständigen Artikel lesen Sie in unserer Printausgabe 03/22
Detective-Horror-Paranoia-Noir
Kurz noch zurück zum obigen Batman-Bond-Holmes-Vergleich: Die drei Herren haben ja gemeinsam, dass sie in ihren Jobs auch mal ermitteln müssen – ein Aspekt, der bei den „Batman“-Filmen allerdings oft etwas in den Hintergrund geriet. Ironischerweise bewies nicht zuletzt Adam West oft – wenngleich natürlich bewusst campy – Kombinationsgabe; in seinem Batcave war er mitunter wie Sherlock Holmes beim Analysieren von Beweismaterial zu sehen. In den Comics hat Batman den Ruf, „The world’s greatest detective“ zu sein: Dort wird er als überaus intelligent gezeichnet und geht auch handfesten Spuren nach. Er befragt (mal mehr, mal weniger gewalttätig) Informanten und Kleinganoven, durchsucht Appartements, zieht seine Schlüsse ebenso mit Hirnschmalz wie mit technischen Hilfsmitteln und muss sich mit teils recht komplizierten Plänen von Gegnern wie Joker, Riddler etc. auseinandersetzen. Batmans Stärke liegt dabei auch in akribischer Vorbereitung – ganz nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. So hat der Comic-Batman immer ein Stück Kryptonit in Reserve, falls Superman eines Tages durchdrehen sollte.
Besagte detektivische Elemente (minus Kryptonit) sollen in Matt Reeves’ The Batman, der nicht Teil der DC-Kino-Continuity ist, sondern in seinem eigenen Universum spielt, einen prominenten Platz einnehmen. Vielleicht sind Batcave (das Gelände eines ehemaligen Untergrundbahnhofs der Waynes) und Batmobil (ein aufgemotztes Muscle Car, das Bruce offenbar selbst zusammengebaut hat) in dieser Version auch deshalb vergleichsweise simpel gehalten, um Bat-Gimmicks nicht über Hirnschmalz zu stellen. Hauptgegner ist diesmal der Riddler (Paul Dano), der eine Mordserie unter der Elite Gotham Citys anzettelt und an den Tatorten komplexe Rätsel zurücklässt, welche die Fledermaus gemeinsam mit Polizeichef Gordon (Jeffrey Wright) knacken muss. Die Morde decken dabei nach und nach die Abgründe hinter der Fassade der Macht auf (ermordet wird u. a. der Bürgermeister) und ergeben in ihrer Gesamtheit ein Puzzle mit einer wahrscheinlich schockierenden Auflösung.
Batman wurde 1939 von Bob Kane und Bill Finger erfunden, und so passt es durchaus, dass Regisseur und Ko-Drehbuchautor Reeves sich vom Film noir der dreißiger und vierziger Jahre inspirieren ließ – aber auch von späteren New-Hollywood-Werken wie Chinatown (Regie: Roman Polanski, 1974) und All the President’s Men (Regie: Alan J. Pakula, 1976). Letztere beide Thriller weisen thematisch den Weg, denn in The Batman, der Stilelemente aus Horror, Noir und Action verbindet, geht es, wie schon erwähnt, um Korruption, die bis in höchste Sphären reicht. Um der Sache eine reale, geerdete Dimension zu geben, verwendet Reeves in The Batman beispielsweise für zwei Nebenfiguren die Namen der realen Nixon-Männer Colson und Mitchell, die in den Watergate-Skandal verwickelt waren. Batman, der große Detektiv, schwimmt hier also gegen einen mächtigen Strom.
This time it’s personal
Diesmal geht es aber auch um die Frage, wie weiß die Weste von Batman / Bruce Wayne ist, denn es scheint handfeste Verbindungen zur Familie Wayne zu geben: Wie tief waren Bruces schwerreiche Eltern in die Korruption verstrickt, die den Sündenpfuhl Gotham City im Würgegriff hat? Ist sein Erbe ein verhängnisvolles? In einer Trailer-Szene konfroniert Bruce seinen Butler Alfred (Andy Serkis, der in Reeves’ Planet of the Apes-Filmen als Caesar zu sehen war) mit dem Umstand, dass dieser ihn jahrelang über seine Familiengeschichte belogen habe. Und er sagt: „I don’t care what happens to me“. Dieser Batman steht noch ziemlich am Anfang seiner Karriere als Verbrecherjäger und muss sich seinen Lebenssinn erst erkämpfen. In einer anderen Szene schlägt er in unbeherrschter Wut auf einen zombiesek geschminkten Gegner ein (der Film spielt offenbar rund um Halloween); auf die Frage, wer er sei, antwortet er: „I’m vengeance.“ Ein fürwahr zorniger, emotional aufgewühlter junger Mann (wozu auch passt, dass das Batsymbol auf seiner Brust offenbar aus Waffenteilen gefertigt ist).
Robert Pattinson meinte dazu in einem Interview, dass sein Batman es zumindest bis zu einem gewissen Grad genießen würde, die Verbrecher zu bestrafen. Und als Bruce Wayne hat er hier (noch?) nicht jene zur Tarnung dienende Playboy-Fassade um sich errichtet, die man aus so manch anderer Version kennt – Trailer-Szenen weisen darauf hin, dass dieser Bruce ein sozial extrem zurückgezogenes Leben führt. Eindrucksvoll etwa eine bereits veröffentlichte Teilszene, die eine Attacke Riddlers auf eine kirchliche Begräbnisfeier zeigt: Pattinson (in der Rolle Waynes) agiert hier zur Gänze ohne Dialog, zeigt aber mit Blicken und Gesten einerseits Bruces soziale Distanziertheit, andererseits den unter der Oberfläche liegenden Sinn Batmans für Gefahr, der – zumindest vorerst – noch das Schlimmste
verhindern kann.
Jedenfalls gibt es wohl persönliche Verbindungen zum Serienmörder Riddler, der in dieser Inkarnation vom nie gefassten Zodiac-Killer (der Fall wurde 2007 von David Fincher als Zodiac verfilmt) inspiriert wurde: Ein Foto im Trailer scheint zu zeigen, dass der Riddler als Kind in einem Waisenhaus untergebracht war, das den Waynes gehörte. Es verspricht also nicht vorrangig eine körperliche, sondern eine mentale Auseinandersetzung zwischen den Antagonisten zu werden: „You are not as smart as I thought“, provoziert Riddler (der hier den bürgerlichen Namen Edward Nashton trägt) Batman. Gut, dass die Ermordung der Waynes hier nicht als alleiniges Trauma bzw. singuläre Motivation eingeführt wird, denn dieser Aspekt wurde, ähnlich wie Spider-Mans „With great power comes great responsibilty“ über die Jahre doch schon etwas überstrapaziert.
Querverbindungen gibt es noch zu einem weiteren Fincher-Film, nämlich zum Serienkiller-Detektiv-Noir Se7en (1995), dessen düstere Ästhetik, wie man den Trailern entnehmen kann, visuell Pate stand: Nicht zuletzt Riddlers Sammlungen an Bildern und Texten lassen an den dortigen Killer John Doe (Kevin Spacey) denken, der ja auf seine Art ebenfalls in einem Sündenpfuhl aufräumen wollte. Apropos Sündenpfuhl: Auch eine Sintflut, die in Gotham einigen Schaden anrichtet, haben die Trailer schon gespoilert. Man darf jedenfalls auf Paul Danos (There Will Be Blood) Interpretation des legendären Batman-Gegenspielers (von der Bekanntheit wohl gleich hinter dem Joker) gespannt sein; die Trailer haben sein Gesicht als Erwachsener bislang verborgen. In der Bevölkerung, so könnte man zumindest aus mancher Trailer-Einstellung schließen, wird der Riddler gar als eine Art Held gefeiert, der es einem kaputten Apparat so richtig heimzahlt. Dass dagegen Batman in Gotham nicht nur als Held gesehen wird, zeigt eine Szene, in der der „Vigilante“ selbst vor der Polizei fliehen muss.
Ebenfalls viele Grautöne weist Selina Kyle vulgo Catwoman (Zoë Kravitz) auf, die sich in Halbweltkreisen – wahrscheinlich rund um den Penguin – bewegt und von Batman ermahnt wird, nicht ihr Leben wegzuwerfen (beide verbindet ja in den Comics und in den Filmen eine Love-Hate-Relationship). In einem Interview meinte Reeves, dass es auch hier Einflüsse eines Pakula-Films gibt: Die komplexe Figur des Callgirls Bree Daniels (Jane Fonda) aus dem Paranoia-Film Klute (1971) habe Pate für seine Catwoman-Version gestanden. In diesem Film verurteilt Privatdetektiv Klute (Donald Sutherland) Brees Lebensstil – und verliebt sich dennoch in sie. In einem Interview verwies Kravitz zudem auf Klassenunterschiede zwischen dem Millionärssohn und der Frau, die sich ganz unten durchschlagen muss. Figuren wie Penguin (Colin Farrell in einer Maske, die den Schauspieler ebenso unkenntlich macht wie jene von Jared Leto in House of Gucci) und Gangsterboss Carmine Falcone (John Turturro) wurden bislang nur kurz angeteasert und werden im Film wohl eine gewichtigere Rolle spielen. Falcone könnte sich dabei als Bindeglied zur „väterlichen Sünde“ entpuppen, der Bruces Vater vor Jahren – möglicherweise – bei der Kandidatur zum Bürgermeisteramt unterstützte.
Düstere Welt, vorsichtiger Optimismus
Dass ihm düstere Stoffe durchaus liegen, hat Reeves vor allem mit einem für Hollywood-Verhältnisse durchaus respektvollen Remake des schwedischen Vampir- und Außenseiterfilms Let the Right One In (Let Me In, 2010) sowie seinen zwei Affen-Dystopien Dawn of the Planet of the Apes (2014) und War for the Planet of the Apes (2017) gezeigt. Dawn war dabei einer der besten Einträge in der langlebigen Apes-Reihe: Reeves gelang es hier auf intelligente Weise, einen Sommer-Blockbuster mit politischen und humanistischen Tönen anzureichern. Die oben bereits erwähnte Begräbnisszene, in der Riddler und Bruce Wayne kurz Blickkontakt haben, während ein Auto samt Bombensprengsatz in die Kirche rast, ist jedenfalls schon mal ein kleines Kabinettstück in Sachen Spannung. Fassen wir die vorläufigen Ermittlungsergebnisse zusammen: The Batman könnte, natürlich unter dem Vorbehalt, dass alles aufgeht, ein interessanter Mix aus Detektivfilm, Noir, Horror und Charakterstudie werden. Die Laufzeit von 175 Minuten spricht jedenfalls für Episches. Zuletzt wurde von den Beteiligten immer öfter von einer Trilogie gesprochen; Pattinson meinte erst kürzlich in einem Interview, dass er Bruce Waynes psychische Reise über die nächsten Jahre bereits für sich skizziert habe. Könnte uns nach all dem doch schon ermüdenden und repetitiven Superhelden-Fast-Food der letzten Jahre wieder einmal ein Genre-Vertreter mit Substanz ins Haus stehen? Die Vorzeichen stehen zumindest nicht schlecht, die Daumen sind gedrückt. Mehr werden Sie zum Kinostart auf unserer Website zu lesen bekommen.