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Edie – Für Träume ist es nie zu spät / Edie

Filmkritik

Edie – Für Träume ist es nie zu spät

| Kirsten Liese |
Außergewöhnliche Bergtour einer 83-Jährigen

Immer mehr Filme zeigen eine weibliche Welt jenseits der 50, und dieses Feelgood-Movie wagt es sogar, eine mürrische 83-Jährige in den Mittelpunkt zu stellen. Edie ist frustriert von einem Leben, in dem ihre eigenen Bedürfnisse stets zu kurz kamen. 30 Jahre ist es her, dass sie, damals noch ein selbstbewusster Wildfang, eine Ansichtskarte aus den schottischen Highlands erreichte. Ihr Vater wollte den Suilven, einen 731 Meter hohen Berg, mit ihr besteigen, aber bevor es dazu kam, starb er. Danach erlitt ihr besitzergreifender Mann einen Schlaganfall, dem zuliebe sie alle eigenen Bedürfnisse zurückstellte. Nunmehr als Witwe denkt sie nicht daran, in ein Seniorenheim zu ziehen, wie es ihrer Tochter vorschwebt. Stattdessen packt sie ihre Koffer, um Papas Plan auf eigene Faust doch noch in die Tat umzusetzen.

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Die Geschichte einer Frau, die ihre besten Jahre ihrer Familie geopfert hat und nun mit aller Beharrlichkeit einen Lebens-
traum nachholen will, ist nicht neu. Sie begegnete schon in Gestalt der ehemaligen Spitzenschwimmerin Beate in
Die Frau, die sich traut, die trotz ihrer Krebserkrankung den Ärmelkanal durchqueren will, oder auch in Gestalt der 66- jährigen  Titelheldin in Pernilla Augusts Britt-Marie war hier.

Wenn nun der britische Regisseur Simon Hunter für seine Story auch noch die Metapher vom Bezwingen eines Berges als Befreiungsschlag und einen stark emotionalisierenden Soundtrack bemüht, wirkt das nicht gerade originell. Dennoch rührt Edie stark an. Das verdankt die Tragikomödie in erster Linie ihrer wunderbaren Hauptdarstellerin Sheila Hancock, sie lässt über die konventionelle Inszenierung bereitwillig hinwegschauen.

Mit Haut und Haaren verschreibt sich die profilierte britische Theaterschauspielerin ihrem mitnichten pflegeleichten Charakter, dem sie neben allerlei Widerborstigkeiten auch immer wieder liebenswerte Seiten abzutrotzen versteht. Jonny (Kevin Guthrie), der charmante Inhaber eines Sportgeschäfts in den Highlands, der die grantige Abenteurerin für ihre Expedition perfekt ausrüstet und sich für ein hohes Salär als Trainer in ihre Dienste stellt, scheint das zu ahnen. Wiewohl er sich für das eine oder andere Malheur einen ordentlichen Rüffel einholt, lässt er die Oma nicht im Stich, bringt ihr das Dosenbiertrinken und das Fahrradfahren bei. Bei alledem hat Sheila Hancock, zum Zeitpunkt der Dreharbeiten sogar schon 85, den Suilven für den Film tatsächlich bestiegen. Chapeau!