Body-Count-Horror für Auskenner
Vorweg: Wer auf Grund des Titels ein (weiteres) Remake des zu Kult-Ehren gelangten Low-Budget-Originals The Evil Dead (Tanz der Teufel) von 1982 erwartet, könnte enttäuscht werden – und dies, obwohl dessen Regisseur Sam Raimi und Hauptdarsteller Bruce Campbell immerhin als Produzenten fungieren. An deren einstige Arbeit erinnert hier hauptsächlich die pre-title-Sequenz: Eine entfesselte Steadycam rast da durchs Unterholz, um bei einem entlegenen Landhaus auf erste Todesopfer zu stoßen …
Dann freilich verlagert sich das Geschehen in ein nicht näher lokalisiertes Lifthaus in Los Angeles. In einer verwinkelten Wohnung plaudert eine junge Mutter mit ihrer Schwester und drei Kindern gerade über Pop-Musik, als ein Erdbeben (!) den Zugang zu verschütteten Kellerräumen frei legt. Man klettert hinunter und entdeckt – ahnen wir es nicht? – ein in Menschenhaut gebundenes und böse illustriertes „Book of Evil“. Es kommt wie es kommen muss: Erst gerät die Mutter unter dessen Einfluss, dann mutieren nach und nach die anderen Familienmitglieder plus zwei herbeigeeilte Nachbarn zu blut- und mordlüsternen Bestien.
Verstand sich Raimis Film seinerzeit durchaus auch als Parodie auf legendäre Horrorfilme seiner Entstehungszeit von Blutgericht in Texas (The Texas Chain Saw Massacre, 1974) bis zur Nacht der lebenden Toten (Night of the Living Dead, 1968), so bleibt es hier dem Publikum überlassen, die Grenze zwischen drastischem Body-Count-Horror und dessen Persiflage zu ziehen. Sicher, das blutrote Finale samt Kettensäge und Häckselmaschine ist reiner Grand Guignol, doch bis dahin variiert der irische Regisseur Lee Cronin (The Hole in the Ground) unkonventionelle Mordmethoden mit einem sinistren Einfallsreichtum, der eher an Splatterserien à la Saw denken lässt als an deren ironische Brechung. Merke: Auch an einem Augapfel kann man ersticken!
Dabei spart auch Cronin nicht mit Zitaten: Von der berühmt-berüchtigten Splitter-ins-Auge-Szene aus Lucio Fulcis Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies (Zombi 2, 1979) über Stanley Kubricks Blutschwall aus dem Liftschacht (The Shining, 1980) bis zu, ganz aktuell, dem Glas essenden Kind aus David Cronenbergs Crimes of the Future (2022) spannt sich der Verweis-Bogen für Genre-Auskenner.
Die mögen es bedauern, dass der grobkörnig grindige Look des Raimi’schen Originals hier der Glätte einer digital hochgerüsteten Big-Budget-Produktion samt Surround-Sound weichen musste, doch dieses Opfer muss man heutigen Sehgewohnheiten selbst bei einem derart gut eingeführten Franchise wie der Evil-Dead-Serie vermutlich bringen.