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Porträt einer jungen Frau in Flammen

Filmkritik

Porträt einer jungen Frau in Flammen

| Pamela Jahn |
Kino wie gemalt

Kostümfilme waren bisher ihre Sache nicht. Bekannt wurde die französische Regisseurin und Autorin Céline Sciamma (Interview) mit modernen Coming-of-Age-Dramen, eines eindringlicher, ausgefeilter und bewegender als das andere. Bereits in ihrem Debüt Water Lilies (2008), der von dem Beziehungs- und Kräfteverhältnis zweier Teenage-Girls erzählte, entfaltete sie ein psychologisch fein nuanciertes Geflecht aus verspielter kindlicher Unschuld und erwachsenen Sehnsüchten. Adèle Haenels beachtliche Darstellung der vermeintlich überreifen Synchronschwimmerin Florianne, die einer schüchternen Mitschülerin den Kopf verdreht, wurde einst ihr Sprungbrett zum Erfolg, zumindest in Frankreich.

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Jetzt, über zehn Jahre später, steht Haenel erneut für Sciamma im Mittelpunkt einer vertrackten Romanze. Porträt einer jungen Frau in Flammen erzählt die Geschichte der Malerin Marianne, die im späten 18. Jahrhundert von einer verwitweten Landadligen den Auftrag erhält, ein Porträt ihrer Tochter Héloïse (Haenel) anzufertigen, die demnächst verheiratet werden soll. Héloïse jedoch widersetzt sich dem Plan ihrer Mutter, und zwar energisch. Sie verweigert sich dem Modellsitzen, was Marianne dazu zwingt, sich zunächst als Gesellschaftsdame auszugeben und das Gemälde heimlich aus der Erinnerung zu malen. Erst ganz langsam kommen die beiden Frauen sich schließlich näher, wird aus Entschlossenheit Zurückhaltung, aus Neugier Begehren, ohne Rücksicht auf die Erkenntnis, dass die Liebe, die sie verbindet, nicht von Dauer sein kann.

Sciamma, eine engagierte Filmaktivistin, hat einen großen, anmutigen und zugleich radikalen Historienfilm gedreht. Ihre Kunst besteht darin, die tiefe Intimität, die sich zwischen ihren Protagonistinnen einstellt, auf der Leinwand absolut sinnlich erfahrbar zu machen. Ihre Klugkeit und Versiertheit in der Anwendung filmischer Verführungskünste aller Art machen den Film zu einem Erlebnis und geben den Blick frei auf eine neue Art des Sehens und des Denkens. Gezeigt wird die Möglichkeit einer Liebe in ihrer schönsten, reinsten Form, ganz ohne Zwang und Zweifel, ohne Männer und ganz am Anfang, noch bevor sich Angst und Misstrauen oder Missgunst von außen Luft verschaffen können. Und es ist diese zarte Absolutheit, die einem unmittelbar unter die Haut geht. Haenel und Noémie Merlant verkörpern die beiden Liebenden mit Leib und Seele. Und wenn man weiß, dass Haenel und Sciamma bereits seit ihrem ersten Film auch privat liiert sind, nimmt man diese bedingungslose Offenheit und Vertrautheit zwischen der famosen Schauspielerin und der Kamera noch einmal intensiver wahr. Die letzte Einstellung des Films ist ein Meisterwerk, für das allein sich der Gang ins Kino lohnt.