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The Lighthouse
Robert Pattinson und Robert Eggers am Set

The Lighthouse | Interview

Mir ist jede Interpretation recht

| Dieter Oßwald |
Robert Eggers über seinen Film „The Lighthouse“, über die Arbeit mit den Stars Willem Dafoe und Robert Pattinson und über seine Abneigung gegen Möwen.

Mit seinem Debütfilm The Witch sorgte Robert Eggers vor vier Jahren für Furore. Der im Jahr 1630 angesiedelte Horrorfilm gewann beim Sundance Film Festival den Regiepreis, ein Dutzend weiterer Festival-Auszeichnungen folgten. Mit rund 40 Millionen Dollar Einnahmen weltweit konnte sich das Erstlingswerk auch kommerziell sehen lassen. Nun präsentiert Eggers, der seine Karriere mit experimentellen Theaterstücken in New York begann, ein klaustrophobisches Kammerspiel in Schwarzweiß und im altmodischen 1,19:1-Seitenverhältnis. The Lighthouse, für den Robert Eggers das Drehbuch gemeinsam mit Bruder Max schrieb, erzählt von zwei Leuchtturmwärtern, die in Maine Ende des 19. Jahrhunderts auf einer einsamen Insel zunehmend dem Wahnsinn verfallen.

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Mister Eggers, von Clowns weiß man, dass sie privat oft traurige Menschen sind. Wie verhält es sich bei Regisseuren, die stets düstere Filme drehen? Sind Sie ein fröhlicher Typ, oder lesen sie deutsche Literatur?
Robert Eggers:
Ich bin ziemlich glücklich und zufrieden. Zudem bin ich froh, dass die Leute bislang offensichtlich sehr angetan von meinem Film scheinen. Allerdings verbringe ich ganz gern viel Zeit im Dunkeln und lese in meinem Zimmer deutsche Bücher. (Lacht) Mir liegt Mary Shelley mehr als Jane Austen. Aber wer sagt, dass Geistergeschichten keinen Spaß machen?

Viele Horrorfilme suchen das Grauen in aktuellen Ereignissen. Sie wenden sich gerne der Vergangenheit zu. Woher kommt diese Vorliebe?
Robert Eggers: Gründe dafür kann ich gar nicht nennen, die Vergangenheit fasziniert mich einfach. Mich interessiert, woher wir kommen und wohin aus jener Zeit die Reise führt. Natürlich hat der Zeitgeist auch Auswirkungen auf mich, mein privates Verlies hat schließlich keine Vakuumversiegelung. Das ist auch gut so, denn wenn The Witch nur Hexen von 1630 interessierte und The Lighthouse nur Leute von 1890, dann wäre das Publikum ziemlich begrenzt.

Sie betreiben akribische Recherchen. Welche Rolle spielt diese genaue Vorbereitung?
Robert Eggers: Das Recherchieren bereitet mir unglaublich großes Vergnügen. Nur wenn die Ausstattung authentisch ausfällt, hilft sie mit, eine Geschichte zu erzählen und das Publikum in eine andere Welt zu versetzen. Historische Nachforschungen finde ich ausgesprochen spannend, einen zeitgenössischen Film zu machen, fände ich deshalb ziemlich langweilig.

Sie selbst sagen, „Der Leuchtturm“ sei nicht gruselig. Mit dieser Einschätzung dürften Sie in der Minderheit sein.
Robert Eggers: Nein, er ist nicht gruselig. Aber er ist ziemlich düster. Für mich ist das kein Horrorfilm, wenngleich es Elemente davon gibt. Wenn Leute darin einen richtigen Horrorfilm sehen möchten, habe ich allerdings kein Problem damit. Ein Freund, der selbst heftige Tätowierungen trägt, erzählte mir, dass einige der Bilder ihm sehr große Angst gemacht hätten. Furcht ist eben immer subjektiv.

Was macht Ihnen Angst?
Robert Eggers: Ich bin ein bisschen klaustrophobisch. Beängstigend finde ich Menschen, die zu weit gehen, die wahnsinnig werden und diese Vorstellung für realistisch halten – so wie in meinen Filmen. Völlig allein zu sein, würde mir ebenfalls Angst machen. Einsamkeit ist mir zwar wichtig, aber ich brauche dann auch wieder Partys als Ausgleich.

Für die beiden Hauptdarsteller war „Der Leuchtturm“ kein Honiglecken. Robert Pattinson erzählt, er sei oft so betrunken gewesen, dass er sich an nichts mehr erinnern könne. Legende oder Wahrheit?
Robert Eggers: Ich würde dieses Interview von Robert gerne selbst einmal selbst lesen. Vermutlich wurden einige Dinge falsch interpretiert, z.B. wenn er erzählt, dass er in einer Szene ohnmächtig wird und in seine Unterhose pinkelt. Soweit ich weiß, hat er beim Drehen keinen Tropfen Alkohol getrunken. Nach Feierabend dann schon – aber das ist eine andere Geschichte. Natürlich waren es unglaublich harte Dreharbeiten. Das Wetter war brutal schlecht, fast wie eine Strafe für uns alle.

Treiben Sie Ihre Schauspieler gerne bis an die Grenzen?
Robert Eggers: Ich sehe gerne, wenn meine Figuren an ihre Grenzen stoßen. Dazu musste ich weder Willem noch Robert antreiben, sie wollten beide bei diesem Projekt dabei sein. Es gibt diese Szene mit Robert im Regen. In der Großaufnahme von seinem Gesicht waren jedoch keine Tropfen erkennbar, deswegen haben wir ihn mit einem Schlauch angespritzt. Dass er das später als „Faustschlag ins Gesicht“ beschrieben haben soll, bezweifle ich. Mit Sicherheit hätte er diese Szene jederzeit nochmals wiederholt. Er war am Set, um zu arbeiten. Das tat er auch, ebenso wie Dafoe.

Was halten Sie von all den Theorien, die manche nach dem Film entwickeln? Beide Figuren stünden für die zwei Seiten einer Person. Auch Prometheus wird bemüht. War das Ihre Absicht?
Robert Eggers: Meine Absicht ist, die Zuschauer zum Nachdenken zu provozieren. Mein Bruder Max und ich wollten in dem Film immer wieder Hinweisschilder aufstellen, an denen sich das Publikum orientieren kann. „Seevögel zu töten bringt Pech!“ – so ein Satz ist ein klarer Spoiler-Alarm. Gleichzeitig wollten wir die Dinge gern mehrdeutig lassen. Es gibt ganz ähnliche Sachen wie diesen „Seevögel“-Spruch, jedoch fallen die weniger auffällig aus. Wir hoffen, die Zuschauer übersehen das zunächst und erinnern sich erst später vage daran. Mir ist jede Interpretation des Publikums recht, was ich persönlich denke, ist zweitrangig.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit Bruder Max aus?
Robert Eggers: Wenn man sich das ganze Leben kennt, braucht man wenig Worte in der Verständigung. Max hatte die Idee zu einer Geistergeschichte in einem Leuchtturm. Mir fielen die Bilder dazu ein. Dann machte ich mich an die Recherche, doch The Witch kam dazwischen. Danach fragte ich Max, ob wir das Drehbuch nicht gemeinsam schreiben wollen. Er entwickelte die ersten zwei Akte, der dritte kam dann von mir.

Wie kamen Sie als noch junger Regisseur an einen Star wie Willem Dafoe?
Robert Eggers: Er hatte The Witch gesehen, danach ließ er mir ausrichten: „Egal, was dein nächster Film wird, ich bin dabei!“ Vor dem ersten Treffen war ich ziemlich nervös, aber bereits nach einer Minute war klar, dass wir beide auf demselben Boot segeln. Deswegen war ich auch gar nicht großartig eingeschüchtert von der Schauspiel-Legende, als wir mit dem Drehen begannen.

Wie steht es um Ihre Pläne, ein Remake von „Nosferatu“ zu wagen?
Robert Eggers: Danke der Nachfrage, es freut mich immer, wenn ich von einem Deutschen auf Nosferatu angesprochen werde – da fühle ich mich gleich ein bisschen weniger schuldig. (Lacht) Ich habe so viele Jahre an dem Projekt gearbeitet. Die Suche nach möglichen Drehorten führte mich nach Rumänien und Deutschland. Ich hoffe sehr, mein Nosferatu wird eines Tages realisiert werden.

Werden wieder Möwen mit dabei sein?
Robert Eggers: Eher nicht! Mit schlechtem Wetter kann ich bei Dreharbeiten umgehen. Aber ich habe wirklich genug von Möwen und Ziegen in wichtigen Rollen.