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The Good Liar

Filmkritik

The Good Liar – Das alte Böse

| Oliver Stangl |
Ein seltsames Paar

Der 80-jährige Londoner Roy Courtnay (Ian McKellen) ist ein ziemlich skrupelloser Ganove: Mit einem befreundeten Anwalt fädelt er ausgeklügelte Betrugsszenarien ein, die halbseidene Investoren um große Beträge erleichtern. Doch auch einsame ältere Damen bringt der umtriebige Roy gern um ihre Ersparnisse. Sein neuestes Opfer ist die Witwe Betty (Helen Mirren), die er über eine Dating-Seite kennenlernt. Er spielt ihr mit präzise kalkulierten Charme-Attacken Gefühle vor, zieht in ihr Gästezimmer ein und überzeugt sie schließlich sogar davon, ihre Rücklagen auf ein gemeinsames Konto zu transferieren.

Zwar wird Bettys Enkel Steven immer wieder misstrauisch, doch kann Roy dessen Einwände stets mit seiner Schauspielkunst entkräften. Als Roy allerdings von früheren Betrugsopfern unter Druck gesetzt wird und er mit Betty und Steven Urlaub in Berlin macht, wird die Lage zusehends angespannter und düsterer: Die Schatten der Vergangenheit lassen sich nicht vertreiben.

Auch wenn der Film manche Erwartungshaltungen in Bezug auf sein Genre – einsamer Verbrecher entdeckt Gefühle – unterläuft, ist The Good Liar die bislang schwächste Zusammenarbeit von US-Regisseur Bill Condon und seinem Hauptdarsteller McKellen (Gods and Monsters, Mr. Holmes): Was sich im ersten Drittel als ziemlich unterhaltsames Betrügerdrama mit Einschüben bösen Humors anlässt, verliert danach rasend schnell an Plausibilität – etwa wenn ein U-Bahn-Mord (ausgerechnet im totalüberwachten London) einfach per Regenschirm verschleiert werden kann. Doch selbst wenn man eine gewisse „suspension of disbelief“ in Rechnung stellt, hilft das nicht viel: Ohne zu sehr ins Territorium von Spoilern vorrücken zu wollen – eine sich immer deutlicher offenbarende Ebene, die auf die NS-Zeit zurückgreift, wirkt unplausibel und arg konstruiert.

Englische Schauspieler, die mit deutlichem Akzent Deutsche spielen, tun da ihr Übriges; da kann auch ein Einfall wie ein Kinobesuch – McKellen und Mirren sehen sich Tarantinos Inglourious Basterds an – nichts retten. Das Ende ist schließlich ebenso platt wie unfreiwillig komisch. So bleibt unterm Strich als (immerhin großer) Pluspunkt das gute Spiel der beiden Hauptdarsteller übrig. Vor allem McKellen läuft in den Betrugsszenen, die auf bösem Witz aufbauen, zur Hochform auf. Hätte der Film nicht mit Gewalt einen historischen Bogen geschlagen (zugegeben, die Story ist der Romanvorlage geschuldet): Welch charmante Tragikomödie hätte dies werden können.