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To the Night

Filmkritik

To the Night

| Günter Pscheider |
Bildgewaltiges Porträt eines Künstlers, der mit den Dämonen seiner Vergangenheit zu kämpfen hat.

Peter Brunner beweist auch mit seinem dritten Langfilm, dass er ein spezielles Talent für intensive Stoffe hat. Die Hauptdarsteller seiner bisherigen Arbeiten Christos Haas (Das blinde Herz) und Jana McKinnon (Jeder der fällt hat Flügel) spielen auch in seiner Ode an die Nacht eine gewichtige Rolle, aber im Mittelpunkt steht ganz eindeutig Caleb Landry Jones (Three Billboards Outside Ebbing, Missouri, Get Out), der als Installationskünstler zwischen Schatten und Licht eine beeindruckende Performance abliefert.

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Norman leidet auch als Erwachsener noch an den Folgen einer posttraumatischen Störung, die er erlitt, als er als Kind mitansehen musste, wie seine Eltern verbrannten. Doch er hat keine Erinnerung daran und versucht verzweifelt, die Bilder des Feuers und das Gefühl, selber gleich sterben zu müssen, zu rekonstruieren, um zu so etwas wie Heilung zu gelangen. Die Sehnsucht nach der Familie, die er nie hatte, scheint sich mit seiner Freundin und seinem kleinen Sohn zu erfüllen, doch Norman, der ständig zwischen Zärtlichkeit und Wut schwankt, gefährdet mit seiner autodestruktiven Suche nach Erlösung die zwischenzeitliche Idylle.

To the Night ist ein klassischer Reisefilm, nur dass der Trip nicht in ferne Länder geht (auch wenn die Brooklyn-Locations mit ihrem ausgesuchten Shabby Chic eine große Rolle spielen), sondern ins Innere des vielschichtigen und widersprüchlichen Protagonisten. Einer stringenten Handlung gilt nicht das Hauptinteresse des Regisseurs, es sind mehr die Zustände des Mannes, die in einer expressiven Bildsprache, die sehr gut die Balance zwischen naturalistischen und fantastischen Elementen hält, eingefangen werden.

Neben den Bildern der Nacht, des Feuers und vor allem der Gesichter der vier ausdrucksstarken Hauptfiguren bleibt vor allem die Leidenschaft, mit der der potenzielle Superstar Caleb Landry Jones dieser gequälten Seele einen Körper gibt, im Gedächtnis. Weniger wird man sich an die Story erinnern, eine klassische Hollywooddramaturgie sucht man in allen Peter-Brunner-Filmen vergeblich. Das ist natürlich eine bewusste Entscheidung, aber etwas weniger Sprunghaftigkeit hätte dem Film vielleicht ganz gut getan. Wenn man als Zuschauer nach einer dramaturgischen Entwicklung sucht, wird man wohl eher enttäuscht das Kino verlassen, wer sich auf das flackernde Irrlicht, das im Zentrum des Filmes steht, einlassen kann, den erwartet ein intensives Kinoerlebnis.

Interview mit Peter Brunner aus unserem Sonderheft Der österreichische Film