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Unsere große kleine Farm

Filmkritik

Unsere große kleine Farm

| Ines Ingerle |
Ein dokumentarisches Meisterwerk über unser aller Heimat und den Kreislauf des Lebens

Es ist der Traum vieler – und bleibt für die meisten ein ebensolcher: Eine eigene Farm besitzen. Nachhaltig Lebensmittel diversester Arten und Sorten anbauen, eine Vielfalt unterschiedlicher Tieren züchten, eins sein mit der Natur. Auch für Molly und John (Interview mit John Chester) ist dieses Bilderbuch-Szenario erstrebenswert – und erscheint gleichsam sehr unrealistisch. Das Paar lebt in einer Wohnung im kalifornischen Santa Monica, führt ein recht angepasstes Leben. John arbeitet als Kameramann für Naturdokumentationen, Molly hat sich auf das Zubereiten gesunder Speisen mit regionalen Produkten spezialisiert. Viel Erspartes oder reiche Verwandte gibt es nicht.

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Letztlich ist es ein Hund, der den Anstoß zu dem gibt, was später die „große kleine Farm“ wird. Todd, der aus übelsten Verhältnissen gerettete, schwarze Rüde mit hellblauen Augen hält die Nachbarn mit seinem Bell-Konzert auf Trab, wann immer er alleine daheim ist. Unter dem Zwang, ein neues, passendes Heim für sich und den Vierbeiner finden zu müssen, machen Molly und John plötzlich das Unmögliche möglich: Sie finden Sponsoren und kaufen ein Stück (Farm-)Land.

Was sich nach einem klassischen Hollywood-Happy-End anhört, ist erst der Anfang: Der Boden ist tot, das Wasser rar, die Umstände mehr als ungünstig, um neues Leben zu schaffen. Spezialisten bezeichnen das optimistische Paar als verrückt, doch Molly und John geben nicht auf. Sie ziehen professionelle Hilfe heran, finden Freiwillige aus der ganzen Welt, die auf der Farm mithelfen (das Konzept von „Wwoofing“ funktioniert eben wirklich!). Zwei Schritte vor, einer zurück – so tanzen sie durch die täglichen Herausforderungen eines Farmer-Daseins und lernen jeden Tag dazu, frei nach dem Motto: „This is a problem with an oportunity“.

In Zeiten, in denen nachhaltige Landwirtschaft zur Rarität verkommt, unsere Umwelt mit Pestiziden vergiftet wird, und sogar die Ignorantesten unserer Gesellschaft die Auswirkungen des Klimawandels nicht mehr leugnen können, trifft diese Dokumentation den Nerv der Zeit. Eingefangen in atemberaubenden Bildern, witzig und virtuos montiert und mit Charme erzählt, zieht The Biggest Little Farm die Zuschauer in seinen Bann. Er appelliert an unser Innerstes, an unsere Wurzeln, an die Verbindung mit Mutter Erde. Wie, um Himmels Willen, so fragt man sich, während man staunend im
Kinosessel sitzt, konnte der Mensch nur so weit weg rücken vom Kreislauf der
Natur?

Die Welt braucht diesen Film, nicht zuletzt, weil er Mut macht, sich nicht zu beugen, sondern es besser zu machen – für uns und für die Zukunft unserer Kinder.