In der bitterbösen Satire „Der beste Film aller Zeiten“ brilliert Penélope Cruz als exzentrische Filmregisseurin.
Es ist ein ebenso verlockendes wie etwas seltsam anmutendes Angebot, das Lola Cuevas (Penélope Cruz), die vielfach preisgekrönte Filmregisseurin, der allerdings auch der Ruf vorauseilt, ein wenig eigenwillig zu sein, eines schönen Tages erhält. Der milliardenschwere Unternehmer Humberto Suárez möchte nämlich etwas Bleibendes hinterlassen, ein Film erscheint ihm da das rechte Mittel zu sein. Also kontaktiert er die renommierte Filmemacherin, die für das Projekt so etwas wie eine Carte blanche erhält und eigentlich nur eine Vorgabe mitbekommt: Sie müsse schlichtweg den titelgebenden besten Film aller Zeiten drehen, damit der als Produzent fungierende Humberto Suárez sich so sein Denkmal für die Ewigkeit setzen kann. Weil Geld dabei wirklich keine Rolle spielt, hat Suárez gleich einmal die Rechte an einem Roman eines Nobelpreisträgers gekauft, den er – wie er der etwas verblüfften Lola gesteht – allerdings gar nicht gelesen hat. Ungeachtet dieser ein wenig bizarr anmutenden Umstände, macht sich die Regisseurin umgehend an die Arbeit, bald schon hat sie die vermeintlich zündende Idee für die filmische Adaption der Geschichte zweier höchst gegensätzlicher Brüder. Um die Dynamik zwischen den beiden Protagonisten zu steigern, besetzt sie die Rollen mit zwei Schauspielern, deren künstlerische Werdegänge kaum unterschiedlicher sein könnten: Félix Rivero (Antonio Banderas) ist ein international gefeierter Filmstar samt großer Fangemeinde, Iván Torres (Oscar Martínez) gilt als einer der größten Bühnendarsteller seiner Generation.
Psychospiele
Lola bittet ihre beiden Hauptdarsteller zur ersten Leseprobe, doch es dauert nicht lange, bis die anfänglichen wechselseitigen Respektsbezeugungen sich als nichts weiter als aufgesetzte Höflichkeitsfloskeln erweisen, und die übergroßen Egos – und dabei stehen einander die drei zentralen Charaktere in nichts nach – beginnen sich zu reiben. Das ist im Fall von Félix und Iván Im Hinblick auf die Gestaltung ihrer Rollen ein von Regisseurin Lola durchaus gewünschter Effekt, doch bald schon geht das Ganze über einen kreativen Prozess hinaus. Es beginnt ein Reigen aus Machtspielchen – von eher harmlos anmutenden Streichen bis hin zu richtigen Gemeinheiten – und psychologischen Duellen, die zeitweilig aus dem Ruder zu laufen und das gesamte Filmprojekt zu gefährden drohen.
Die gebürtigen Argentinier Gastón Duprat und Mariano Cohn stellen mit Der beste Film aller Zeiten erneut ihr Talent für
Humor der hintersinnigen Art unter Beweis. Eine Qualität, die sich schon bei El ciudando ilustre (Der Nobelpreisträger, 2016) deutlich gezeigt hat. Die schwarzhumorige Satire lief im Wettbewerb um den Goldenen Löwen der Filmfestspiele von Venedig – für die Titelrolle gewann Oscar Martínez die Coppa Volpi als Bester Darsteller –, erhielt die renommierte spanische Auszeichnung, den „Goya“, als bester ausländischer Film in spanischer Sprache und war Argentiniens Beitrag als Bester fremdsprachiger Film bei den Oscars.
Ihre neue Regiearbeit erweist sich zunächst einmal als sarkastischer Blick auf die Filmwelt, sowohl was den kreativen Prozess aber auch das Business angeht. Schon der Originaltitel Competencia oficial, übersetzt etwa „Offizieller Wettbewerb“, verweist ein wenig augenzwinkernd auf die derartigen Konkurrenzen vorherrschenden Mechanismen. Zielsicher werden dabei die diversen Befindlichkeiten der Protagonisten aufs Korn genommen. Ob es sich dabei um die Eitelkeiten von Félix, der seinen Status als internationaler Filmstar vor sich herträgt, handelt oder um den etwas elitär anmutenden Snobismus des „ernsthaften“ Theaterschauspielers Iván, niemand wird dabei vom beißenden Spott der Inszenierung verschont. Auch nicht Lola Cuevas, die im Verlauf der Probenarbeiten ihre divenhafte Egozentrik hervorzukehren pflegt. Doch Duprat und Cohn begnügen sich dabei nicht, Eigenheiten unterschiedlicher Couleurs, die man mit dem Kunstbetrieb im Allgemeinen und der Arthousefilmszene im Speziellen assoziieren würde, zu decouvrieren, die Sache stellt sich in ihrer Inszenierung als diffiziler dar.
Die drei zentralen Charaktere erweisen sich nämlich nicht als bloß karikaturenhaft anmutende Figuren, denen bei aller Witzigkeit eine gewisse Eindimensionalität anhaftet. Félix und Iván tragen ihre Manierismen zwar wiederholt nach außen, doch sie spielen immer wieder auch mit den sie betreffenden Klischeevorstellungen, um sich im Psychokrieg, der im Verlauf der Proben entbrennt, in Stellung zu bringen. Antonio Banderas und Oscar Martínez verstehen es dabei geradezu kongenial, diese Verschmelzung der eigentlichen Persönlichkeit ihrer Figuren und dem ihnen anhaftenden Image zu verkörpern. Das Rätselraten, was denn nun tatsächlich Egozentrik oder ein bewusstes Spiel mit vorgefertigten Erwartungshaltungen – dabei geht es den Charakteren so wie den Zuschauern – ist, erzeugt neben der satirischen Ebene ein ganz eigenes, zusätzliches Spannungsfeld. Auch anhand des von Penélope Cruz gespielten Charakters zeigt sich eine Ambivalenz, die Der beste Film aller Zeiten eine Mehrschichtigkeit einräumt. Die Figur der Lola Cuevas erinnert dabei ein wenig an einen der zentralen Charaktere in The Stunt Man (Der lange Tod des Stuntman Cameron), Richard Rushs raffinierte Mischung aus Action, Komödie und psychologischem Drama aus dem Jahr 1980. Peter O’Toole spielt darin den Filmregisseur Eli Cross, der zwischen Genialität und Überwältigung durch die eigene Grandezza changiert und dabei so geschickt zu manipulieren versteht, dass man ihm sogar zutraut, in seiner Besessenheit für die Arbeit über Leichen zu gehen.
Auch bei Lola Cuevas wird schon bald eine Mischung aus Exzentrik und echter künstlerische Leidenschaft evident. Oftmals scheinen Dinge, die sie im Verlauf der Proben ihren beiden Hauptdarstellern abverlangt, bizarr und ein überspanntes Kunstverständnis widerzuspiegeln. Doch auch dabei fungiert Der beste Film aller Zeiten nicht nur als hohnlachende Satire – obwohl die Inszenierung in dieser Hinsicht immer wieder zu punkten versteht –, sondern wirft auch einen durchaus kritisch-analytischen Blick auf den künstlerischen Prozess als solchen bei der Herstellung eines Films. Und dann muss man schon genauer aufpassen, um ein Urteil darüber zu fällen, welche Anforderungen an die Schauspieler Félix Rivero und Iván Torres nur kruden Vorstellungen der Regisseurin entspringen oder doch unkonventionelle Mittel sind, um der Vorstellung vom „besten Film aller Zeiten“ näherzukommen. Dabei wird deutlich, dass oft nur ein schmaler Grat zwischen notwendigen Anstrengungen, um (künstlerische) Höchstleistungen zu erreichen und der mittlerweile so viel zitierten „toxischen“ Arbeitsatmosphäre liegt. Gastón Duprat und Mariano Cohn gelingt dabei ein erstaunlicher Spagat zwischen herrlich böser Satire und kritischer Reflexion manchmal übersteigerter gesellschaftlicher Befindlichkeiten.
Die Vielseitige
Als entscheidender Faktor erweist sich dabei die Besetzung mit der formidablen Penélope Cruz. Ohne die Leistungen ihrer Kollegen Antonio Banderas und Oscar Martínez schmälern zu wollen, erweist sich Cruz als Kraftzentrum von Der beste Film aller Zeiten. Mit der Rolle der egozentrischen Regisseurin Lola Cuevas fügt sie ihrer Karriere einen weiteren Höhepunkt hinzu. Einen ersten solchen Moment durfte Cruz gleich am Anfang ihrer Karriere erfahren, als sie im Alter von gerade einmal 18 Jahren eine der Hauptrollen in Fernando Truebas Belle epoque (1992) spielte, der nicht nur neun Goyas sondern auch den Oscar als Bester fremdsprachiger Film erhielt. Den Goya als Beste Schauspielerin erhielt sie 1998 für La niña de tus ojos (Das Mädchen deiner Träume), wieder unter der Regie von Fernando Trueba. Bereits ein Jahr zuvor hatte mit Penélope Cruz’ Auftritt in Carne trémula (Live Flesh – Mit Haut und Haar) eine über viele Jahre hinweg andauernde, höchst produktive Zusammenarbeit mit Pedro Almodóvar ihren Anfang genommen. In Todo sobre mi madre (Alles über meine Mutter, 1999), Volver (2006), Los abrazos rotos (Zerrissene Umarmungen, 2009), Los amantes pasajeros (Fliegende Liebende, 2013), Dolor y gloria (Leid und Herrlichkeit, 2019) und zuletzt 2021 in Madres paralelas (Parallele Mütter) verkörperte Cruz kongenial und unnachahmlich die für Almodóvars Regiearbeiten typischen Charaktere. Die Kollaboration von Almodóvar und Cruz erwies sich nicht nur als prägend für das europäische Kino, sie festigte zunehmend auch die internationale Popularität von Penélope Cruz. Wie hoch geschätzt ihre Schauspielkunst wird, lässt sich an einem Besetzungscoup der besonderen Art ablesen: Für Vanilla Sky (2001), das englischsprachige Remake von Alejandro Amenábars verrätseltem Thriller Abre los ojos (Öffne die Augen, 1997), verpflichtete Regisseur Cameron Crowe Penélope Cruz, die in der Neuauflage an der Seite von Tom Cruise jene Rolle spielte, die sie bereits im Original übernommen hatte. Dass sie mit den großen Namen Hollywoods locker mitspielen konnte, stellte sie auch in Blow (2001), der Verfilmung der Lebensgeschichte des Drogendealers George Jung (den Johnny Depp verkörperte), ebenso unter Beweis, wie mit ihrem Auftritt in Ridley Scotts Thriller The Counselor (2013), in dem Michael Fassbender die Titelrolle übernahm. Dass Cruz Blockbuster-Ausflüge ebenso souverän zu meistern versteht wie Arthouse-Projekte zeigt sich an ihrem herrlich augenzwinkernden Auftritt in Pirates of the Caribbean: On Stranger Tides (2011), dem vierten teil der Erfolgsreihe um den von Depp gespielten Piraten Jack Sparrow.
Zu den Regiegrößen, mit denen Penélope Cruz mittlerweile gearbeitet hat, zählen unter anderen Woody Allen (Vicky Christina Barcelona, To Rome with Love), Olivier Assayas (Wasp Network), Isabel Coixet (Elegy) oder Kenneth Branagh (Murder on the Orient Express). Dass es nicht die ganz bekannten Titel für bemerkenswerte Auftritte braucht, demonstriert Cruz in dem ein wenig unterschätzten True-Crime-Drama Loving Pablo (2017). Darin spielt sie die kolumbianische Starmoderatorin Virginia Vallejo, die eine Affäre mit dem berüchtigten Drogenbaron Pablo Escobar hat und aufgrund dieser gefährlichen Liebschaft zwischen alle Fronten gerät.
Mit der Rolle der zwischen Egomanie, Kreativität, Exaltiertheit und Verletzlichkeit changierenden Regisseurin, die dank ihrer manipulativen Fähigkeiten alle Fäden in der Hand zu halten scheint, zeigt Penélope Cruz in Der beste Film aller Zeiten wieder einmal, warum sie zu den spannendsten Schauspielerinnen der Gegenwart zählt.